Mitten ins Herz

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diebuecherweltenbummlerin Avatar

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Jimmy soll heute zum ersten Mal bei Tristan schlafen. Tristan Ibrahimi. Der Junge, der nach seiner Flucht in der Schule neben ihn gesetzt wurde. Jimmys einziger Freund.
Bevor er zu der Großfamilie aufbricht, fährt er seine Sammelrunde. Denn als großer Sammler darf er keine Gelegenheit auslassen, Geld aufzuspüren, um sich eine Tüte mit Flippos zu kaufen. Mehrere Mappen hat er schon voll mit Flippokarten. Eine für Tristan. Jimmy freut sich auf den vorliegenden Abend. Aber Tristan hat andere Pläne.

"Der ehrliche Finder" ist ein Roman von gerade mal 125 Seiten und trägt so viel Geschichte in sich, dass dieses Büchlein tonnenschwer wirkt.

Es handelt von dem Aufprallen von Welten in Form zweier Jungen. Der Eine ist ein Außenseiter, dessen Vater spurlos verschwunden ist. Er ist anders, kleiner, pedantisch. Der Andere ist kriegstraumatisiert und Teil einer Großfamilie, die in dem belgischen Dorf offen empfangen wurde.
Beide erfahren im Laufe der Geschichte eine Entwicklung. Diese Entwicklung ist maßgeblich für den Plot. Sie führt innerhalb eines Tages zur Asymmetrie der Protagonisten.

Die Story ist erschreckend. Sie zeigt nicht nur Unterschiede zwischen den Familien auf. Sie transformiert sich vor allem zu einem ausgeklügelten Dilemma. Dieses Dilemma ist es auch, was die Leser*innen mitten ins Herz trifft. An dieser Stelle werden die Lesenden eins mit den Protagonisten und stellen sich selbst die Frage: Was würde ich tun?

Was macht die Ehrlichkeit des Finders aus? Ist es seine Zuneigung zu seinem Freund, die er offen zeigt? Ist es, weil er einer Frau - wenn auch widerwillig - Geld zurückgibt? Oder ist es seine Bereitschaft zu teilen? Wie auch immer die Antwort ausfällt - "Der ehrliche Finder", Jimmy, berührt so sehr, dass man ihm am liebsten die Hand reichen würde, um ihm eine schwierige Entscheidung abzunehmen.

Absolute Empfehlung!

Lize Spit, Der ehrliche Finder, S. Fischer, 2024.