Von Macht und Machtmissbrauch in Kultur und Medien

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Theaterintendant und -regisseur Kai Hochwerth hat sich spektakulär das Leben genommen. Presse und soziale Medien haben die Verantwortliche schnell gefunden: Es soll die Feuilletonchefin der Abendpost, Hella Renata Karl, sein. Sie hatte Hochwerth vor einigen Wochen durch einen reißerischen Bericht zu Fall gebracht, in dem es um frauenfeindliche Übergriffe ging. Der Artikel schlug öffentlich Wellen, an deren Ende Hochwerth seinen Hut nehmen musste. Sein plötzlicher Tod löst nun erneut Empörung aus, die wie ein Bumerang auf Hella zurückfällt. Sie wird in den sozialen Medien angefeindet, der Mob leert nicht nur sprichwörtlich seinen Müll über ihr aus. Ein ungeschicktes Statement im Interview - und Hella wird beurlaubt.

Die komplette Geschichte erfahren wir aus der subjektiven Perspektive der Protagonistin selbst. Wir folgen ihren Gedanken, Erinnerungen und Begegnungen. Schnell wird deutlich, dass Hella absolut keine Sympathieträgerin ist. Sie ist extrem ehrgeizig, stolz, arrogant und egoistisch. Sie hat Freude an der Macht, kategorisiert, stigmatisiert und urteilt gnadenlos aufgrund oberflächlicher Parameter. Hella besitzt wenig Empathie und hat keine Freunde. Sie verinnerlicht sexualisierte Denkweisen, nimmt sich, was sie braucht, und reduziert selbst ihren Lebenspartner auf eine Rolle als Sexualobjekt. Verhält sie sich gar wie ein Mann? Ihre Achillesferse ist ihre Herkunft. Sie schämt sich für ihre lieblose Kindheit, für ihre Vergangenheit im Hochhaus in einem prekären Wohnviertel. Hella hat es nicht leicht gehabt, sie hat sich ihren Erfolg hart erarbeitet. Letzteres muss man ihr zugutehalten: ihr wurde nichts geschenkt.

Also verwundert es nicht, dass Hella nach ihrer Beurlaubung zu kämpfen anfängt. Sie ist nicht gewillt, ihr Schicksal hinzunehmen. Sie recherchiert, hinterfragt und konfrontiert ihre Widersacher mit unschönen Wahrheiten. Dadurch dringt sie tief in das Haifischbecken des Berliner Kulturbetriebes ein, in dem einer den anderen belauert und Machtmissbrauch Methode hat. Ihre exponierte Stellung hilft Hella dabei, den Vorhang zu lüften und unschöne Machenschaften aufzudecken.

Doch auch die übrigen Figuren haben es in sich. Es fasziniert, wie es der Autorin gelingt, mit wenigen Attributen facettenreiche Charakterisierungen anzulegen. Strubels Ton ist leicht und pointiert, die Formulierungen wirken geschliffen, sind immer mit einer guten Portion bissiger Ironie oder Überzeichnung gewürzt. Man kann sich die dekadent oberflächliche Welt der Kulturjournalisten und Theaterleute lebhaft vorstellen. In die Haupthandlung werden zudem interessante Begegnungen und Gespräche eingebunden, die sich mit zeitaktuellen Themen auseinandersetzen und in denen man zahlreiche kluge Gedanken und Bezüge zur Gegenwart findet. Auch die Kanzlerin hat einen kurzen Auftritt. Ich bin richtig begeistert von diesem schriftstellerischem Können Antje Rávik Strubels!

Der Roman setzt sich intelligent und kurzweilig mit einem reißerischen Journalismus auseinander, dem es nicht mehr um die Wahrheit, sondern nur noch um hohe Zustimmungswerte und Klicks in den sozialen Medien geht, in deren Folge Menschen vorverurteilt und dem Pöbel ausgesetzt werden. Darüber hinaus wird eine abgehobene Schicht kulturschaffender Männer präsentiert, die meinen, über dem Recht zu stehen und Frauen herabwürdigen und sexualisieren zu können. (Hier dürften die MeToo-Skandale der Vergangenheit Pate gestanden haben.) Hervorzuheben ist auch die umfassende Symbolik. So erlauben z,B. die titelgebenden Fasane vielfältige Interpretationen, auch die Eigennamen dürften mit Bedacht gewählt sein. Erwähnenswert finde ich die bildreichen Naturbeschreibungen, die mit der Handlung korrespondieren. Die Autorin hat nichts dem Zufall überlassen, sondern ihren Roman sorgfältig strukturiert und komponiert.

Diese vielen Details lenken aber nie von einer Protagonistin ab, die man nicht so schnell vergisst. Hella hat sich männliche Verhaltensweisen zu eigen gemacht, wodurch sie zwar erfolgreich, im tiefen Inneren aber auch einsam geworden ist. Nein, mögen kann man Hella nicht. Dennoch gewinnt man Achtung vor ihr, weil sie ihre Klassenschranken nachhaltig hinter sich gelassen hat, und man hofft, dass sie nach dem Ende des Romans eine neue Sicht auf die Prioritäten des Lebens erhalten wird.

Der Roman liest sich erstaunlich leicht, entfaltet aber nach und nach Tiefe und Nachhall. Er eignet sich hervorragend für Diskussionen und Lesekreise.