Wenn alles ins Dunkel fällt

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Hella Renata Karl, Anfang 50 und Feuilletonchefin einer großen Berliner Tageszeitung, ist geschockt: Kai Hochwerth, der frühere Intendant einer der größten Bühnen in der Hauptstadt, hat sich in Sydney umgebracht. Hat Hella nicht nur die Schuld am Rausschmiss des 54-Jährigen, sondern ihn auch in den Selbstmord getrieben? Sie hatte über seinen Machtmissbrauch geschrieben. Nun steht die Journalistin am öffentlichen Pranger und erhält Hassnachrichten. Und es droht weiterer Ungemach…

„Der Einfluss der Fasane“ ist ein Roman von Antje Rávik Strubel.

Untergliedert in sieben Kapitel, wird in personaler Perspektive aus der Sicht von Hella erzählt, durchweg chronologisch, aber mit Rückblenden. Die Handlung umfasst nur wenige Wochen und spielt in Berlin, Potsdam und Umland.

Vor allem auf der sprachlichen Ebene hat mich der Roman beeindruckt. Die Autorin vermag es, atmosphärisch, anschaulich und bildstark zu schreiben, mit leichter Feder und ohne viele Worte zu verschwenden. Was mir ebenfalls gefallen hat: Im Text wird immer wieder der Umgang mit Sprache und Formulierungen auf gekonnte Weise reflektiert.

Hella ist eine reizvolle Protagonistin, jedoch keine klassische Sympathieträgerin und eine eher unbequeme Person. Sie ist sehr ehrgeizig, selbstbezogen und äußerst selbstbewusst. Um ihren Weg zu machen, hat sie Verhaltensweisen und Ansichten übernommen, die an ältere Männer erinnern. Ihr Denken und Handeln ist nicht immer leicht zu ertragen, aber in sich schlüssig und nachvollziehbar. Auch die übrigen Charaktere wirken größtenteils ausgefeilt, nur wenige Nebenfiguren sind etwas zu stereotyp geraten.

Auf den rund 230 Seiten wird die Geschichte von einer subtilen Spannung getragen. Wird Hella ihren Hals aus der Schlinge ziehen können? Was hat den Intendanten zu dem drastischen Entschluss getrieben? Erst Stück für Stück werden die Zusammenhänge klarer.

Aus inhaltlicher Sicht hat der Roman viel Interessantes zu bieten. Der Missbrauch von Macht in der Kultur- und insbesondere Theaterszene ist ein wichtiges und lohnenswertes Thema. Es geht dabei um patriarchale Herrschaftsstrukturen, internalisierte Misogynie, antifemistisches Denken und sexistisches Gehabe. Aber auch mediale Hetzjagden, die Dynamik öffentlicher Diskurse und die Auswüchse der Empörungskultur tauchen auf. Zusätzlich wurden die Aspekte von Schuld und Verantwortung sowie die Prägung der Persönlichkeit durch Klasse und Herkunft eingearbeitet. Das macht die Geschichte facettenreich und verleiht ihr Gewicht. Insgesamt bleibt der Roman jedoch zu sehr an der Oberfläche, die Botschaft des Romans wird durch die Themenfülle stark verwässert.

Die Fasan-Symbolik wird nicht nur konsequent im Titel und im hübschen Covermotiv aufgegriffen, sondern zieht sich auch durch den gesamten Text. Deren Bedeutung bleibt mir dennoch ebenfalls zu diffus.

Mein Fazit:
Mit „Der Einfluss der Fasane“ hat Antje Rávik Strubel einen lesenswerten Roman geschrieben, der auf problematische Strukturen verweist. Sprachlich überzeugend, aber inhaltlich leider zu schwammig.