Ein Stück Zeitgeschichte

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herbstrose Avatar

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Sommer 1914, zwei Ereignisse prägen das Weltgeschehen: Ende Juni das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin in Sarajewo und im August als Folge davon der Ausbruch des Ersten Weltkrieges. In dieser Zeitspanne ist der Roman „Der eiserne Sommer“ angesiedelt.
In München wird am Ufer der Isar die Leiche eines Mannes aufgefunden. Sebastian Reitmeyer, Kommissär bei der Münchner Kripo, wird mit der Leitung der Ermittlungen beauftragt. Bald geschehen weitere Morde. Die Spuren führen zum Leibregiment des Königs und ins Homosexuellenmilieu, einer Konstellation, die eigentlich undenkbar ist. Das Militär ist unantastbar, so dass der Polizei bald von höchster Stelle nahegelegt wird, die Ermittlungen einzustellen. Doch Reitmeyer hält sich nicht an die Order …
Der Autorin Angelika Felenda ist es sehr gut gelungen, den geschichtlichen Hintergrund darzustellen und den Zeitgeist vor einhundert Jahren einzufangen. Gute Recherchen lassen die Mordmotive glaubhaft erscheinen, nichts ist überkonstruiert. Das Land steht vor dem Abgrund des 1. Weltkrieges, die Macht liegt beim Militär, es herrscht Standesdünkel und Obrigkeitsdenken, die Bevölkerung leidet unter Armut, die Polizei fährt mit dem Fahrrad zum Tatort und die Kriminaltechnik steckt noch in den Kinderschuhen.
Der Schreibstil ist klar, flüssig und gut verständlich der damaligen Zeit angepasst. Regelmäßig eingefügte Tagebucheinträge, Zeitungsnotizen und Mitteilungen lockern die Handlung auf und bieten dem Leser eine zusätzliche Sichtweise. Die Protagonisten sollten, im Hinblick auf eine Fortsetzung, noch besser ausgearbeitet werden. Reitmeyer ist seltsam langweilig, blass und ohne Struktur, seine Empfindungen kann man nicht fühlen und nachvollziehen. Auch die anderen Charaktere wirken auf mich nur oberflächlich, verschwommen und nicht greifbar. Einzig der Polizeischüler Korbinian Rattler ist sehr vielschichtig, zeigt Konturen und hat Ecken und Kanten.
Fazit: Eine durchaus interessante Mischung aus Zeitgeschichte und Kriminalfall, logisch und gut konstruiert, die beim Lesen jedoch ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit fordert. Leider lassen sich die Hintergründe der Morde schon sehr früh erahnen, so dass ein Knalleffekt ausbleibt.