Kindererziehung = Entscheidung über die Zukunft der Menschheit = Hochpolitisch

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Wie viel von unserem Gewohnheitswissen über Erziehung ist denn tatsächlich zielführend und wie viel davon, längst von der Forschung überholt? Inwieweit sollten wir Ärzten vertrauen und wo doch besser unserem eigenen Empfinden? Und was sollte denn das Ziel von Erziehung sein? Nicola Schmidt weist darauf hin, dass im uralten Thema der Erziehung häufig noch immer eher nach beinahe ebenso alten Mythen, Gewohnheit und dem Druck anderer vorgegangen wird als nach längst gesicherten wissenschaftlichen Fakten – und dem eigenen Gefühl! – und gleicht eben diese beiden Lager miteinander ab. Dass Gefühl und Wissenschaft hier ganz häufig Hand in Hand gehen, ist nebenbei bemerkt meine liebste Erkenntnis. Sehr gut gefallen mir daneben die Anstöße der Autorin, Erziehung neu zu denken und sich die große Rolle der Eltern für die Zukunft der Menschheit bewusst zu machen – in Fragen der Nachhaltigkeit und dem Umgang mit der Natur, aber auch der nach der Quelle des eigenen Selbstwertgefühls: Was sollen meine Kinder einmal erstrebenswert und cool finden? Die zuerst als so privat empfundene Erziehung wird so schnell als etwas Hochpolitisches begriffen. Tolles Zitat dazu: "Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt."

Nicola Schmidt nimmt in ihrem Buch Mythen und Fakten zur „Erziehung“ vom Moment der Schwangerschaft bis zu den ersten Grundschuljahren unter die Lupe. Wissenschaftlich mit Fußnoten, dabei aber in flüssig geschriebenem Plauderton legt sie die Forschungslage dar – immer wieder untermalt mit ihren eigenen Erfahrungen als Mutter.

Ganz besonders für Eltern, die ihr Kind nicht einfach richtig, sondern „artgerecht“ (so ein Projekt der Autorin) groß werden lassen möchten ist es eine wunderbar kompakte Zusammenstellung, die einem in Situationen des institutionellen oder sozialen Drucks sicherlich Beistand leistet, dem eigenen Empfinden zu folgen.
Gleichzeitig ist das Buch meiner Meinung nach auch etwas für Nicht-Eltern, sind wir doch alle ein Einfluss auf die nächste Generation und die um uns herum Lebenden. Es beginnt schon damit, dass jede/r mit ihrer/seiner Reaktion auf die Erziehung anderer Eltern darauf Einfluss nimmt, wie diese sich mit ihrer (vielleicht völlig richtigen) Erziehung fühlen. Ob sie also durch unser Unverständnis oder unsere gut gemeinten, aber unfundierten Ratschläge verunsichert werden oder eben nicht. Für jeden, der gerne richtig reagieren und erfahren möchte, inwiefern der Homo sapiens mit dem Weg der Nachhaltigkeit auch den Weg zu sich selbst wiederfinden kann, ist es ein spannendes und hilfreiches Buch.