Interessante Geschichte

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Josef Klein ist ein kleiner Mann und seine Geschichte, die im Roman erzählt wird, streckt sich über rund 30 Jahre. Dabei springt die Autorin kapitelweise zwischen den Zeiten, sodass sie Josefs Geschichte wie ein Puzzle zusammensetzt.
Als Leser lernt man viel in diesem Roman: über die deutschen Nazis in den 30ern in den USA und in den 50ern in Argentinien, darüber, wie das FBI im Zweiten Weltkrieg mit den echten und den vermeintlichen Spionen umgegangen ist, und dass es „America first“ schon ganz lange gibt. Das ist sehr interessant und bereichernd.
In dieser Geschichte ist Josef Klein eher ein Bauer in einem Schachspiel: unbedeutend und trotzdem für den Spielverlauf wichtig. Als Deutscher, der in den 20ern nach New York ausgewandert ist, gerät er in rechte Kreise, die ihm nicht geheuer sind, ihm aber dabei helfen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er sympathisiert nicht mit dem rechten Gedankengut, was aber nicht verhindert, dass er als Amateurfunker ihre Aufmerksamkeit erregt. Er wird in Machenschaften verstrickt, die er selbst nicht ganz durchschaut. Sein Bemühen, sich diesen Kreisen zu entwinden, scheitert. Seine Freundin Lauren, ebenfalls eine Amateurfunkerin und um einiges cleverer als er, durchschaut die Rolle, die er dabei spielt. Ihr Verrat führt schließlich dazu, dass er aus seiner verzwickten Situation herauskommt, aber inhaftiert wird und letztlich seine Wahlheimat Amerika verliert. Seine Zuflucht wird schließlich sein jüngerer Bruder Carl, dem seinerzeit die Auswanderung mit seinem Bruder nicht gelungen ist. Er ist in Deutschland geblieben, hat eine Familie gegründet. Die Brüder tauschen über Jahre hinweg Briefe aus und als Josef dann aus den USA ausgewiesen wird, nimmt ihn der Bruder im Nachkriegsdeutschland auf. Josef fühlt sich aber nicht willkommen in den beengten Wohnverhältnissen. Die Brüder kommen einander nicht näher, zu viel Ungesagtes steht zwischen ihnen und zu lange dauert der Aufenthalt des Rückkehrers bei der Familie. Auch das zunehmend vertrauter werdende Verhältnis zur Schwägerin macht Josef Angst. Er weckt in ihr die Ahnung, dass es auch ein anderes Leben geben könnte, dass sie am falschen Platz sein könnte. Josef wird als Bedrohung für den Familienfrieden wahrgenommen und er ahnt das auch. Das beunruhigt ihn und bestärkt ihn in seinem Wunsch, mit falschen Papieren nach über Südamerika in die USA zurückzukehren.
Josef ist ein Getriebener, jemand der keine Heimat findet. Jemand, der einfach nur sein möchte und sein kleines Leben führen möchte, dem die große Politik aber einen Strich durch die Rechnung macht. An vielen Stellen passt der resignative Unterton des Erzählens deshalb sehr gut zur Geschichte.
Am Ende kommt eine Art Auflösung der Zusammenhänge: die letzten Puzzleteile. Hier soll Josefs Rolle in dem Geschehen erklärt werden. An dieser Stellen kann ein Leser, der sich mit dem historischen Kontext nicht auskennt, schwer folgen. So wird z. B. auf Spiegel-Artikel hingewiesen, die es laut Quellenanhang wohl tatsächlich gab. Aber um die Zusammenhänge verstehen zu können, müsste man diese Artikel auch gelesen haben. Von welchem Prozess wird gesprochen? Welche Rolle soll der fiktive Josef Klein dabei gespielt haben? Hier lässt der Roman den Leser ratlos zurück. Die Autorin begnügt sich mit ein paar Andeutungen. Das ist hier einfach zu wenig. Auch tauchen am Ende erneut Namen von Personen auf, die man längst vergessen hat. Eine Liste mit den Namen aller Figuren und ihre Einordnung ins Geschehen am Anfang oder Ende des Romans würden als Erinnerungsstütze helfen.
Trotz einiger Kritikpunkte am Ende ist „Der Empfänger“ insgesamt ein gelungener Roman, der einen Teil deutsch-amerikanischer Geschichte beleuchtet, der unbedingt wiedererinnert werden sollte. Das Cover passt sehr gut zum Inhalt und der Titel ist gut gewählt. Denn letzten Endes sieht die Welt in dem kleine Josef Klein nichts mehr als einen Empfänger.