Nirgends mehr daheim

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Josef Klein wird 1949 aus amerikanischer Haft in seine Heimat Deutschland abgeschoben. Er kommt in ein notleidendes Land zu seinem Bruder Carl und dessen Frau Edith. Da er über den Grund seines Gefängnisaufenthaltes nicht offen sein kann, schwelt bald ein tiefes Misstrauen zwischen den Brüdern. Schliesslich standen sie in den vergangenen Jahren auf jeweils feindlichen Seiten.
Vorurteile prägen den Alltag. Wie so oft, sieht sich jeder auf der Seite der moralisch Besseren. Auf der Seite derer, die das einzig Richtige getan haben. Und so ist Josef auch in seiner Heimat nicht willkommen. Er wandert Jahre später wiederum aus, wieder über den grossen Teich.
Doch vor 25 Jahren träumten sie noch von einer Zukunft in den Vereinigten Staaten. Carl wurde durch einen Unfall am Auswandern gehindert und musste im Rheinland zurückbleiben. Josef schaffte es und fand Arbeit in einer New Yorker Druckerei. Er wurde zu Joe, zum Amateurfunker (der Buchtitel ist ein Hinweis), geriet in rassistische und Nazi-Gruppierungen. Doch ehe er so richtig in der Neuen Welt angekommen war, brach der 2. Weltkrieg aus, und alles änderte sich grundlegend. Denn ein Funker wird gerade in Kriegszeiten schnell der Spionage verdächtigt.
Ulla Lenze hat die Handlung am Leben ihres Onkels ausgerichtet. Mit Spannung und Farbe schildert sie eine Menge Stories rund um die Leitgeschichte. Immer wieder legt sie das Innere und die Überlegungen der Personen offen. Hilfreich, wenn nicht notwendig sind die zeitlichen Hinweise zu Beginn der einzelnen Abschnitte. Denn die Rückblicke sind nicht leicht durchschaubar.
Als Leser kann man sich dem Thema nicht entziehen. Es geht sehr nahe, gerade wenn man selbst zu den Emigranten gehört. Mich hat auch der Schreibstil sehr angesprochen. Lenze hat es verstanden, mit Leben und Drive ein interessantes Schicksal zu zeichnen. Sie hat auch den Familiennamen Klein gut gewählt, denn es ist die Geschichte des kleinen Mannes, der in turbulenten Zeiten ungewollt zwischen sämtliche Stühle gerät.
Das heutige Geschehen in Amerika zeigt, wie aktuell der Roman ist. Denn nationalistisch gesinnte Politiker sind dort nach wie vor tätig, offener denn je. Die Unterteilung des Coverbildes samt den verschwommenen Stellen geht auf die Zerrissenheit des Heimkehrers Josef sehr deutlich ein. Ich empfehle das Buch allen geschichtlich Interessierten.