Mädelein

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Der englische Liebhaber, Historischer Roman von Federica de Cesco, 360 Seiten erschienen im Europa-Verlag.
Ein historischer Liebesroman aus der Nachkriegszeit.
Charlotte hatte keinen guten Start ins Leben, 1947 in Münster geboren, noch dazu als uneheliche Tochter und ein Kind eines englischen Besatzungsoffiziers. Sie hat sehr darunter gelitten und musste deshalb viel einstecken. Mit ihrer Mutter Anna hat sie kein gutes Verhältnis. Als Anna schwer erkrankt reist sie nach Münster. Dort bekommt sie den Auftrag etwas Schmuck, die Tagebücher ihrer Mutter und Tonbandaufnahmen an sich zu nehmen. Es ist auch ihre Geschichte die sie in den Aufzeichnungen findet.
49 Kapitel, die zum Großteil von Annas Lebensgeschichte erzählen. Der Roman spielt in zwei Zeitebenen, zum einen nach dem Tod Annas 1988 und rückblickend in den Briefen, Tagebucheintragungen und Tonbändern, die Charlotte an sich genommen hat. Die Erzählungen aus der Nachkriegszeit und den folgenden Jahren werden in der Ich-Form, aus der Sicht Annas erzählt. Briefe, Gedanken und englische Phrasen erscheinen kursiv gedruckt und werden dadurch deutlich hervorgehoben. Der Plot war stets logisch und plausibel und ich konnte der Erzählung folgen, doch es fiel mir nicht schwer, das Buch immer wieder aus der Hand zu legen. Richtige Spannung kam kaum auf. Die Autorin erzählt jedoch sehr wortgewandt und in einer bildhaften Sprache.
Ich ging mit ganz anderen Voraussetzungen an den Roman heran, durch das Cover und auch den Klappentext habe ich eine traurig-romantische Liebesgeschichte erwartet. Anna ist durch ihr hartes Schicksal eine verbitterte Frau geworden und so wird die Geschichte auch erzählt. Am besten gefallen, haben mir die letzten Kapitel und der Epilog, da habe ich doch noch ein paar Tränen vergossen, zu schmerzhaft waren die Erinnerungen der Protagonistin. Die Erzählung spielt hauptsächlich nach dem 2. Weltkrieg und in der Zeit des kalten Kriegs, als die europäischen Völker einander als Feinde galten und in vielen Familien das Gespenst des Nationalsozialismus noch lebendig war. Betroffen gemacht hat mich dabei auf S. 107 folgende Zeilen…. „Denn wie auch immer wir uns zu rechtfertigen versuchten, wir waren nicht die Opfer. Wir waren die besiegten Täter.“ Oder auf S. 108 „ Ich musste mir gefallen lassen, was man über uns sagte. Weil das Schuldgefühl auch in mir steckte, Teil meines Körpers geworden war.“
Auch Charlotte war mir äußerst unsympathisch, sie ging so frech und respektlos und ohne Mitgefühl mit ihrer Mutter um, das hat mich geradezu abgestoßen. Obwohl ihre Mutter so viel für sie tat und so oft für ihre rebellischen Taten auch finanziell aufkam. Das finde ich ungerecht, denn Anna ist ja nicht leichtsinnig schwanger geworden, sie hat auf eine Ehe mit Jeremy gehofft. Auch mit Jeremy konnte ich bei der Lektüre nicht warm werden, dazu fehlte mir die Beschreibung charakterlicher Züge, so blieb er ziemlich blass. Sogar Annas Schwester Linchen fand ich dumm und herzlos. Die Szenen die vom Tod Jeremys handelten und ob und wie, sein Freund Oliver Taylor und Annas Kollegin Ingeborg darin verwickelt waren, blieben nur angedeutet, das hat mir nicht gefallen.
Insgesamt habe ich mich nur mäßig unterhalten gefühlt, wer bei diesem Roman auf eine unerfüllte, romantische Liebe aus der Nachkriegszeit hofft, wird enttäuscht. Von mir dafür 3 gutgemeinte Sterne.