Leben für den Tanz

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Das Titelbild zeigt ein Foto der Künstlerin in einem für die 1920iger Jahre etablierten Stil. Wenige Jahre später wird sie in einer Fotoserie der österreichischen Fotografin Madame d’Ora weitaus erotischer abgebildet werden.
Anita Berber, die ihre Karriere als Tänzerin während des ersten Weltkriegs in Berlin beginnt und in zahlreichen Stummfilmproduktionen spielt, ist im Jahr 1925 26 Jahre alt. Sie ist bereits eine öffentliche, skandalumwitterte Frau mit einem mehr als schillernden Ruf. Dazu tragen nicht nur ihre expressiven Bühnenprogramme, wie die „Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase“ bei, auch ihr Privatleben ist von ungehemmter Selbstdarstellung, sowie von Alkohol- und Drogensucht gekennzeichnet. Für ihre Zeit ist sie ein „role model“ (unter anderem für Marlene Dietrich) als überhaupt erste Femme fatale im Smoking und Einglas (Lorgnon) und für die extravagante Garderobe ihrer Aufführungen. Diese, erotisch und lasziven Auftritte, führen sie von vollen Häusern in Berlin, Wien immer weiter in die Provinz, in Spelunken und halbseidene Etablissements. Schuld an ihrem Abstieg ist der Drogenkonsum, der ihr sowohl Geld als auch Gesundheit raubt.
Der Autor Steffen Schroeder hat seine Karriere als Schauspieler in Wien begonnen und lebt und arbeitet nun in Deutschland (Potsdam). Dies ist sein drittes Buch. Es beschreibt das Leben einer für die Kunst brennenden Schauspielerin.
Mir war nicht bekannt, wie populär Anita Berber ist. Gemeinsam mit Josephine Baker prägte sie den modernen Ausdruckstanz, den sie als Urkraft ihrer Karriere huldigt. Der Tanz war ihr Leben, die Drogen verstärkten die Ekstase und Intensität der Bewegung. Ihre Sinnlichkeit wurde von ihr hemmungslos dargestellt und von Voyeuren (Schleiertanz) bejubelt. Die Scheinheiligkeit der Zeit wird durch ihre immer ausverkauften Aufführungen düpiert. Sie starb mittellos 1928, mit 29 Jahren, an Tuberkulose, eigentlich am Zenit ihrer Kunst, da alsbald der Tonfilm ihrer Karriere ein Ende gemacht hätte. Bekannt ist sie der Nachwelt durch die Skandale, Fotos und Filme sowie ein Buch indem sie ihre Tanzkunst beschreibt.
Für alle die eine kompromisslose Frau und Tänzerin kennenlernen wollen, die Skandale provozierte und mit ihrer Art zu tanzen die Massen (vor allem Männer) beeindruckte. Ein Sittenbild des Deutschlands in den 20iger Jahren des vorigen Jahrhunderts.
PS: Auf Seite 142 geht Anita mit ihrem Mann Sebastian Droste „Shopping“. Ein Wort, das in jener Zeit meiner Meinung nach unbekannt war.