Tanz in den Abgrund

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Anita Berber (1899-1928), die große Diva des Tanzes, Nackttänzerin und Stummfilmstar liegt mit Tuberkulose im letzten Stadium, verarmt und alleine im Berliner Bethanien-Krankenhaus. In dem riesigen Krankensaal, in dem sie mit vielen anderen Frauen liegt und leidet, erinnert sie sich an ihr Leben, das ein kurzer wilder Tanz war. Gegen die Schmerzen und das Elend erhält sie Morphium und fällt so immer wieder in fiebrige Träume, in denen sie ihr Leben vor sich ablaufen sieht oder mit Menschen spricht, die gar nicht da sind.
Das Buch ist eine atemlose Romanbiographie, in der das gesamte unglaubliche Leben der Anita Berber wie ein Film im Zeitraffer vor dem inneren Auge des Lesers abläuft.
Anita wuchs bei ihrer sehr toleranten Großmutter Lou und ihrer Tante auf, ihren Vater, den Geigenvirtuosen Felix Berber lernte sie erst spät kennen, ihre Mutter, eine Chansonsängerin, die in frivolen Kreisen verkehrte, sah sie nur von Zeit zu Zeit. Ihr ganzes Leben litt Anita darunter, dass die Mutter sie nicht liebte sondern nur an ihre eigene Karriere dachte.
Nach einer Tanzausbildung bei Dresden nahm Anitas Karriere schnell Fahrt auf. Auftritte in Kabaretts, die berühmten Nackttänze und viele Filmrollen - alles in nur wenigen Jahren. Aus heutiger Sicht war ihr Leben skandalös, Männer, Frauen, Koks, Morphium, Alkohol, Betrügereien - nichts hat sie ausgelassen. Das Leben nach dem ersten Weltkrieg war in Künstlerkreisen wohl so und auch schamlos. Dass es auch Armut und Hunger gab, mit dem sich das Gros der Bevölkerung in Deutschland herumschlagen musste, wird nicht erwähnt. Es war der Tanz auf dem Vulkan.
Ich kann nicht sagen, dass Anita mir als Mensch durch dieses Buch sympathisch geworden ist. Sie wirkt so gedankenlos, wobei wir natürlich auch nicht wissen, was sie tief im Innern gedacht haben könnte.
Das Leben und der Tanz reißen sie in einen Strudel und letztendlich in den Abgrund.
Auf jeden Fall hat Steffen Schroeder hier eine tolle Charakterstudie vorgelegt, deren Hauptdarstellerin bei allem, was man über sie weiß, doch sehr distanziert bleibt.