Enttäuschender Venedig-Krimi voller Klischees

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REZENSION – Locker geschrieben, auch unterhaltsam, doch insgesamt eher enttäuschend ist der Anfang März bei Kiepenheuer & Witsch erschienene Venedig-Krimi „Der freie Hund“ des deutschen Schriftstellers Wolfgang Schorlau (69) und seines italienischen Co-Autors Claudio Caiolo (54). Zwangsläufig ist man als Leser versucht, Vergleiche mit den Romanen von Donna Leon und dem von Schorlau im Buch mehrfach genannten Andrea Camilleri zu ziehen. Doch dieser Vergleich ist überflüssig, fehlt es doch dem „freien Hund“ an jeglichem literarischen Anspruch. Schorlaus aus Sizilien stammender und zur eigenen Sicherheit nach Venedig versetzter Commissario Antonio Morello, von den Medien nach erfolgreicher Mafia-Jagd als „freier Hund“ bezeichnet und auf der Todesliste der Mafia stehend, reicht bei weitem nicht an Leons venezianischen Commisario Brunetti oder Camilleris sizilianischen Commissario Montalbano heran.
Gleich an seinem ersten Arbeitstag in Venedig muss der Sizialianer Antonio Morello als neuer Leiter der venezianischen Kriminalabteilung für Gewaltverbrechen in einem Mordfall ermitteln: Der junge Anführer einer studentischen Gruppierung, die gegen die Vielzahl der riesigen Kreuzfahrtschiffe kämpft, natürlich ein Spross aus bestem Patriziergeschlecht, wird ermordet. Die Aufklärungsarbeit verschafft dem Morello einen tiefen Einblick hinter die ihm unbekannten Kulissen venezianischen Lebens und uns Lesern einen wenn auch pauschalierten Einblick in die Verstrickungen italienischer Politik mit der Mafia.
Trotz der Mitarbeit seines italienischen Co-Autors Claudio Caiolo, der als gebürtiger Sizilianer und über mehrere Jahre in Venedig ausgebildeter Schauspieler vielleicht Insider-Wissen hätte beisteuern können, gleicht Schorlaus Venedig-Krimi einem hausgemachten und sättigenden Eintopf, erreicht aber an keiner Stelle das Niveau literarischer Sterne-Küche. „Der Freie Hund“ ist eine bunte Mischung aus uns mehrheitlich aus den Medien bekannten Fakten über die aktuelle Situation der „schönsten Stadt der Welt“, deren Bestand in der Zukunft durch das zunehmende Anlanden riesiger Kreuzfahrtschiffe und die Überflutung von 30 Millionen Touristen pro Jahr nach Meinung nicht nur vieler Umweltschützer bedroht ist, und ebenso bekannter Klischees, gewürzt mit einigen Prisen Humor und Sex. Alles in allem ist „Der freie Hund“ ein Mix aus einer nur mäßig spannenden Handlung, einem Sammelsurium von Informationen über Italien, Venedig und Sizilien und Rezepten aus einem italienischen Kochbuch. Alles hat man irgendwo schon so oder ähnlich in anderen Venedig-Romanen und -Krimis gelesen – nur besser geschrieben.
Geht man allerdings als Leser ohne jeglichen literarischen Anspruch und ohne allzu große Erwartungen an diesen Krimi heran, eignet sich „Der freie Hund“ immerhin als leichte und lockere Unterhaltung zur mentalen Ablenkung in den gerade jetzt durch das Corona-Virus so getrübten Tagen.