Der fremde Sohn

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Ich hatte eigentlich eine Thriller erwartet, aber eigentlich ist das Buch mehr eine Familiengeschichte oder eher Familientragödie. Max, der Sohn einer bekannten TV-Moderatorin und eines erfolgreichen Mathematik-Professors wird auf dem Schulhof erstochen. Die Eltern sind fassungslos. Wie konnte es dazu kommen? Gerade Carrie, die Mutter, muss feststellen, dass sie ihren Sohn im Grunde gar nicht gekannt hat.

Sam Hayes hat einen sehr schönen Schreibstil, sehr flüssig, die Geschichte nimmt den Leser direkt gefangen. Das täuscht glücklicherweise über einige Schwächen des Buches hinweg, denn einige der Charaktere wirken nicht sehr glaubwürdig.

Zwar wird die Trauer der Mutter durchaus überzeugend beschrieben, aber diese Reaktion ist in meinen Augen nicht logisch. Eine Mutter, die sich überhaupt nicht um ihren Sohn kümmert, ihn tagelang nicht sieht, weil sie entweder 18 Stunden am Tag arbeitet, oder tagelang verreist ist, und die nicht einmal mitbekommt, dass ihr Sohn bereits seit 10 Tagen Ferien hat - diese Mutter ist auf einmal am Boden zerstört vor Trauer? So eine Mutter trauert doch eher um den Verlust ihres perfekten Lebens, als um ihren Sohn, den sie kaum wahrgenommen hat.

Auch der Vater, eigentlich eine sehr interessante Figur, kann nicht recht überzeugen. Im Gegensatz zur Mutter bekommt er zwar mit, was für Probleme sein Sohn hat, versucht auch zaghaft etwas zu unternehmen, aber wirklich aktiv wird er nicht. Dabei wäre es so einfach gewesen. Viele Dinge im Verhältnis der Eltern bleiben unklar. Warum wohnt der Vater seit der Scheidung in dieser heruntergekommenen Gegend? Was genau hat eigentlich zu der Trennung geführt? Einiges davon kann man sich zusammenreimen, aber da die Trennung der Eltern doch offensichtlich den Ausgangspunkt von Max Problemen darstellt, hätte man das genauer herausarbeiten können.

Zum Glück sind im Gegensatz dazu, die Figuren von Max selber und auch von seiner Freundin Dayna sehr glaubwürdig. Diese beiden sind es auch, die das Buch lesenswert machen. Zwei Außenseiter, die beide in schwierigen Familienverhältnissen leben, die von ihrem Mitschülern gemobbt werden, finden zueinander. Die fortwährende Anspielung auf Romeo und Julia ist sicher kein Zufall. Max und Dayna bringen einen dazu, immer weiter zu lesen, man will wissen, wie es von da an so schief gehen konnte.

Insgesamt konnte mich das Buch nicht ganz überzeugen. Nicht alle Figuren wirken glaubwürdig und ihr Verhalten bleibt teilweise unverständlich. Das Ende wirkt leider sehr kitschig.