Epische Familiensaga aus Vietnam

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Nguyễn Phan Quế Mai erzählt die Geschichte einer vietnamesischen Familie zwischen 1930 und 2017. Eine Familiengeschichte, die geprägt ist vom Kampf um das Überleben: die koloniale Herrschaft, die kommunistischen Landreformen, Hungersnöte und mehrere Jahrzehnte Krieg. Zwei Frauen stehen dabei im Mittelpunkt der Erzählung: die junge Hương und ihre Großmutter Diệu Lan, die sich zweitweise alleine durchschlagen müssen, da alle weiteren Familienmitglieder vermisst, im Krieg oder bereits gestorben sind. Verschiedene Zeitstränge blicken zum einen zurück auf das Leben der Großmutter, welcher der Krieg die alleinige Verantwortung für ihre 6 Kinder aufgebürdet hat, und verfolgen zum anderen das Leben ihrer Enkelin, die auf die Rückkehr ihrer Eltern aus dem Krieg hofft.

Der weite Erzählbogen gibt dem Roman einen epischen Charakter, lässt einen über Generationen hinweg einen Blick in die Geschichte Vietnams werfen - und zwar nicht aus westlicher Sicht, sondern durch das Erleben derjenigen, die das Leid hautnah erfahren. Und so funktioniert der Roman nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen, indem das Donnern der Bomben über dem Luftschutzbunker, die Flucht auf nackten Füßen, aber auch die Sprichwörter in vietnamesischer Schriftsprache, sowie die frische Nudelsuppe und die Maisfelder und Wasserbüffel im Hintergrund das Setting lebendig werden lassen. Eine große Stärke des Romans ist die filigrane Zeichnung der Auswirkungen von Krieg und Leid auf die Familienbeziehungen: die Ungewissheit der Hinterbliebenen, die Schuldgefühle einer Mutter, die ihre Kinder bei Fremden zurücklassen muss, die Unfähigkeit nach den Kriegserfahrungen wieder Nähe zuzulassen, die politische Gräben, die durch die Familien gehen.

Nguyễn Phan Quế Mai hat bereits mehrere Bücher auf Vietnamesisch veröffentlicht, "Der Gesang der Berge" ist ihr Debüt in englischer Sprache. Ob das der Grund dafür ist, dass ich den Schreibstil teils holprig fand, kann ich nicht sagen - nach ein wenig Einlesen trug aber auch das gefühlt zur Authentizität des Romans bei. Insgesamt eine kraft- und hoffnungsvolle Erzählung über den Versuch, inmitten der Leidensgeschichte eines Volkes eine Familie zusammenzuhalten.