Flammendes Plädoyer für Frieden

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
leukam Avatar

Von

Die vietnamesische Autorin hat schon mehrere Bücher geschrieben; „ Der Gesang der Berge“ ist ihr erster, der auf Deutsch erschienen ist. Der Roman ist von ihrer eigenen Familiengeschichte inspiriert und ist auch einzelnen Familienmitgliedern gewidmet.
Sie schildert darin die Geschichte einer Familie über mehrere Generationen hinweg und damit gleichzeitig die leidvolle Historie ihrer Heimat Vietnam. Vor allem letzteres war es, was mich zu diesem Buch greifen ließ; wusste ich doch davon nur das allgemein Bekannte und das aus amerikanischer Sicht.
Die zwölfjährige Huong lebt im Jahr 1972 bei ihrer Großmutter in Hanoi. Die Eltern und ihre Onkels sind im Krieg, keiner weiß, wo sie sind und ob sie noch leben. Vor dem Bombenhagel der Amerikaner retten sie sich aufs Land; als sie zurückkehren, liegt Hanoi in Schutt und Asche.
In dieser Zeit beginnt die Großmutter ihrer Enkelin die Geschichte ihrer Familie zu erzählen.
Sie geht dazu weit zurück, in die 1930er Jahre, die trotz der französischen Besatzung glückliche Jahre waren. Sie wächst auf einem großen Bauernhof im Norden des Landes auf. Mit dem Zweiten Weltkrieg kommen die Japaner ins Land, die Zeiten werden härter. Die darauffolgende große Hungersnot kostet über zwei Millionen Menschen das Leben.
Bei der Landreform verliert die Familie Haus und Hof. Großmutter Dieu Lan, mittlerweile Witwe, flieht mit ihren fünf Kindern. Nach unsäglichen Strapazen schafft sie es bis Hanoi, wo sie sich eine neue Existenz aufbaut.
Es kommt erneut zu einem Krieg, der die Familie auseinanderreißt. Einer der Söhne verliert sein Leben, ein anderer kehrt als Krüppel nach Hause zurück. Ein Sohn steigt in der Hierarchie der Partei nach oben und muss sich von seiner Familie distanzieren. Einen anderen hat es schon Jahre zuvor in den Süden vertrieben, wo er auf Seiten der Amerikaner kämpft.
Trotz aller Schicksalsschläge gibt die Großmutter nie auf; sie versucht immer wieder ihre Familie zusammenzuhalten.
Die Autorin erzählt wechselweise aus zwei Perspektiven. Da gibt es auf der Gegenwartsebene die der heranwachsenden Enkelin und in dem Erzählstrang, der in die Vergangenheit führt, ist es die Perspektive der Großmutter. Dabei wird in unzähligen Episoden das wechselvolle Leben der Protagonisten anschaulich und lebendig dargestellt. Das politische Geschehen bestimmt immer wieder die Lebenswege und Entscheidungen der Figuren. „ …früher dachte ich, unser Schicksal läge in unserer Hand, aber ich habe gelernt, dass normale Bürger in Zeiten des Krieges nichts weiter sind als Blätter, die im Sog eines einzigen Sturms zu Tausenden oder sogar Millionen fallen.“ Der Roman zeigt eindrucksvoll, welche Verletzungen und Traumata kriegerische Auseinandersetzungen in Menschen und in den Familien anrichten.
Neben all dem Grauen gibt es aber auch hoffnungsvolle Momente.
Die literarische Umsetzung des Themas ist allerdings nicht ganz gelungen. Der Roman ist in einer poetischen, mir etwas zu blumigen Sprache geschrieben. Das war mir manchmal zu nahe am Kitsch. Gefallen haben mir dagegen die eingestreuten Sprichwörter und Sätze aus der buddhistischen Lehre.
Die Figurenzeichnung konnte mich ebenfalls nicht restlos überzeugen. Die Guten waren zu gut, die Bösen oftmals zu böse. Die Großmutter ist natürlich die alles überragende Person. Eine starke, tatkräftige Frau, die sich aufopferungsvoll um ihre Familie kümmert und beinahe klaglos alles Leid erträgt. Möglicherweise wollte die Autorin mit dieser beinahe fehlerlosen Figur den Müttern in jenen Zeiten ein Denkmal setzen.
Wenn man aber von diesen beiden Kritikpunkten absieht, ist „ Der Gesang der Berge“ ein lesenswerter Roman, der einen tiefen Einblick gibt in die wechselvolle Geschichte des Landes und in eine fremde Kultur. Außerdem ist er ein flammendes Plädoyer für Frieden unter den Menschen. Denn : „ Kriege haben die Macht, liebenswerte und kultivierte Menschen in Ungeheurer zu verwandeln.“