Gemeinsam überleben, wenn die Welt zerbricht

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murphy12 Avatar

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Dieses Buch ist sehr intensiv; hat mich gefangen genommen und in eine andere Zeit versetzt. Ich war in Vietnam.
Erzählt wird die Geschichte der Familie Tran durch die Urenkelin Huong. Das Buch beginnt in 2012- aber nur das erste Kapitel. Erzählt wird das Leben der Großmutter Dieu Lan. Dieses erfolgt in 2 Erzählsträngen: Einer beginnt in 1972 während des Vietnamkrieges in Ha Noi. Hier kümmert sich die Großmutter Dieu Lan um ihre 12 jährige Enkelin Huong (genannt: Guave), da das Land im Krieg versinkt und die Eltern von Huong in den Krieg gezogen sind. Der zweite beginnt in 1930 auf dem Land in der Provinz Nghe An. Hier lebt Dieu Lan als Kind auf dem elterlichen Hof.
Die Autorin vermag es in deutlichen, aber nicht unnötig brutalen Bildern die verschiedenen örtlichen Begebenheiten und die dort herrschenden Umstände plastisch darzustellen. Das Land wird zeitweise durch Frankreich und Japan unterdrückt, der Vietnamkrieg, die große Hungersnot, der eingeführte Kommunismus mit den Umerziehungslagern und dem Denunziantentum. Unrecht und Gewalt sind zu allen Zeiten allgegenwärtig. Inmitten dieser unruhigen Zeit ist Dieu Lan trotz vieler Schicksalsschläge bemüht, ihre Kinder und Kindeskinder zu ernähren und durch das Leben zu bringen. Sie ist unermüdlich und stark, aber nicht unfehlbar. Sie erfährt in ihrem Leben so viel Schlechtes, dass eine Aufzählung diese Rezension sprengen würde, aber auch in vielen Situationen unerwartete Hilfe von Fremden. Sie erlaubt sich kaum eine Schwäche- trägt Verantwortung und hilft wo sie kann.
Gerade weil dieses Buch so realistisch und emphatisch geschrieben wurde, fiel mir das Lesen mehrfach sehr schwer. Es war eine Anstrengung, die liebgewordenen Charaktere und die Menschen im Allgemeinen derart leiden zu sehen. Es ist kein Buch, um es mal kurz zu lesen. Obwohl ich es nicht aus der Hand legen wollte, musste ich oftmals eine Lesepause einlegen, um wieder zu Atem zu kommen. Es ist mir direkt ans Herz gegangen und hat mir auch die Tränen in die Augen getrieben.
Der Schreibstil und die Wortwahl sind wunderbar- nicht zuletzt auch wegen der vietnamesischen Sprichworte und Lieder, die in Originalsprache benannt und dann übersetzt werden. Es ist ein außergewöhnliches Buch, das mich vieles überdenken lässt.
Für mich ist es die Überraschung dieses Jahres und deshalb eine klare Leseempfehlung. Absolut lesenswert.