Vietnamesische Tragödie

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tochteralice Avatar

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Man könnte ihn auch als "Eine vietnamesische Tragödie" bezeichnen: den Vietnamkrieg, in dem Brüder gegeneinander antraten in einem Krieg, der (fast) niemandem Gutes brachte. Denn das vietnamesische Volk hat auch andere Tragödien wie die Herrschaft der Franzosen über sich ergehen lassen müssen. In diesem Buch jedoch beschreibt die Autorin Nguyễn Phan Quế Mai konkret den Krieg zwischen Nord und Süd - in Romanform, doch steckt so einiges von Erlebnissen der eigenen Familie darin.

Erzählt wird zunächst aus der Sicht der jungen Thong, die während des Krieges und auch danach bei ihrer Großmutter Dieu Lan lebt, der eigentlichen Heldin, denn diese erzählt der Enkelin ihre Geschichte bzw. die der ganzen Familie - eine Welt, in der die tragischen Ereignisse quasi einander jagen.

Es ist eine Familie, die zunächst im Wohlstand lebt in einem kleinen Ort in der Mitte des langgestreckten Staates Vietnam - in oder nahe dem Bereich, der heute als "entmilitarisierte Zone" bezeichnet wird, also den Kriegsschauplätzen. Der Krieg erreicht Thongs Großmutter jedoch in Hanoi, wohin sie geflohen ist, als sie von ihrem eigenen Land vertrieben wurde. Von den ehemaligen Nachbarn und Arbeitern, mit denen sie jahrzehntelang einträchtig nebeneinander gelebt hatten - bis die Enteignungen durch das neue Regime stattfanden.

Es folgt eine Ära der Verlorenheit, der Verlust, der Verstreuung der Familie über ganz Vietnam. Es ist eine Darstellung des Ausgeliefertseins, der Ohnmacht.

Noch mehr jedoch ist dieser Roman ein Sinnbild der Kraft, vor allem der Kraft der Frauen, die selbst in der größten Verzweiflung ihre Zuversicht zu erhalten und vor allem weiterzugeben versuchen und dadurch Unglaubliches bewirken: Nämlich das Schaffen eines neuen Heimes für die Familie und eines Zusammenhalts derer, die übrig geblieben sind.

Ein Roman, an dessen Stil ich mich erst gewöhnen musste, der mich jedoch bis tief ins Innerste traf - vor allem, da mir die Schauplätze und in Teilen auch deren Geschichte bekannt ist und so während der Lektüre ständig ein innerer Film ablief.

Ein ergreifendes Buch über das Unfaßbare, es wird hier nicht fassbar gemacht, das ist auch meiner Sicht nicht möglich, aber der Leser erhält die Gelegenheit, der Geschichte zu folgen. Einer sehr persönlichen Geschichte, die sich so, ähnlich, oder auch ganz anders, aber mit Sicherheit nicht minder tragisch in unzähligen Familien ereignet hat!