Liegt in der Kürze die Würze?

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sago Avatar

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Kim Thúy legt mit diesem Roman ein wirklich erschreckend schmales Bändchen vor. Er umfasst nur 143 Seiten, die noch dadurch geschmälert werden, dass hier viele viele Seiten maximal halb bedruckt sind, weil das Ganze aus kurzen Szenen besteht, die nicht in Kapitel unterteilt weden. Den Rand schmücken in schönem Türkis vietnamesische Begriffe, die übersetzt werden, was zusätzlich für einen breiten Rand sorgt. Ich habe den Roman an zwei Tagen auf dem Arbeitsweg komplett gelesen und hatte kaum Zeit, mit den durchaus interessanten Protagonisten warm zu werden. Bei mir entstand eher der Eindruck einer Novelle, auch wenn dieser Begriff nicht einschlägig ist. Wirklich schade. Um es rundheraus zu sagen: Für mich liegt in der Kürze definitiv nicht die Würze! In herrlich exotisch-poetischen Bildern wird hier von der jungen Vietnamesin Man erzählt, die von drei Müttern aufgezogen und schließlich an einen nach Kanada ausgewanderten Vietnamesen verheiratet wird. Dieser bleibt total gesichtslos und man erfährt unendlich viel mehr über Mans Arbeit in seinem Restaurant als über ihn. Die Ehe bleibt zwar nicht kinder-, aber freudlos, denn Man verliebt sich schließlich in einen Franzosen, wagt aber wohl nicht, ihre Familie zu verlassen - oder doch? Das Ende bleibt offen und wird so unglaublich hastig auf nicht mal einer Seite erzählt, dass ich es doppelt lesen musste, um es glauben zu können. Noch einmal schade. Hier wäre mit dem schönen, gekonnten Schreibstil der Autorin und den wunderbaren Einblicken in die vietnamesische Kultur wirklich weitaus mehr drin gewesen!