Literarischer Whodunit-Krimi

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
@annisbuecherregal Avatar

Von

August 1975: Ein Mädchen verschwindet aus dem Feriencamp.
Und nicht irgendeines: Es ist Barbara Van Laar, deren Bruder Bear vor vierzehn Jahren im selben Wald verschollen ist und bis heute nicht gefunden wurde.
Ein schrecklicher Zufall? Hat es jemand auf die Van Laars abgesehen? Oder haben sie am Ende selbst etwas damit zu tun?

Mit “Der Gott des Waldes” beweist Liz Moore die Vereinbarkeit von einem klassischen Kriminalfall mit Gesellschaftskritik, demonstriert, dass Spannung nicht an reißerische Floskeln und brutales Blutvergießen gebunden sein muss, sondern auch literarisch hochwertig erzeugt werden kann und dass viele Einzelschicksale eine gemeinsame Geschichte erzählen können.

Aufgrund der hohen Personenzahl fällt der Einstieg zunächst etwas schwer, später zeigt sich jedoch, dass genau diese eine der großen Stärken des Romans ausmacht: Liz Moore beleuchtet die Biografien so vieler Figuren, haucht ihnen Leben ein, gibt ihnen Stimmen und erzeugt auf diese Weise mehrere Nebenstränge, die fast genauso spannend sind wie die Aufklärung der Vermisstenfälle. Nach und nach setzen sich die einzelnen Bilder wie Puzzleteile zusammen und ergeben ein großes Ganzes.

Moore versetzt uns nicht nur mitten in die Wildnis, sondern auch in eine atmosphärische Ferienlagerjugend, mit allem was dazugehört: Schauergeschichten am Lagerfeuer, Freundschaften, erste Liebeleien, Wahrheit-oder-Pflicht-Abende.
Wir werden aber auch Gäste von High-Society-Feiern, beobachten dabei, welche Intrigen und Vertuschungen sich zwischen Glanz, Glamour und Drinks abspielen und was der Preis für Erfolg und Ansehen ist.
Außerdem verfolgen wir den Werdegang einer jungen Ermittlerin in den 70ern, die sich nicht von Sexismus und Misogynie unterkriegen lässt und willensstark ihren Weg bestreitet.

Die Aufklärung der beiden Vermisstenfälle ist das Kernstück des Buches. Um das volle Ausmaß zu verstehen, wird der Zeitraum zwischen 1950 und 1975 aus wechselnden Perspektiven beleuchtet.
Die Autorin setzt dabei geschickt platzierte Fallen, lässt bis zum Schluss jeden verdächtig wirken, bis sie dann mit einer unerwarteten Auflösung überrascht, bei der man seinen inneren Detektiv anzweifelt und sich fragt, wie man alle Hinweise darauf übersehen konnte.

“Der Gott des Waldes” ist also ein klassischer “Whodunit”-Krimi, bedient sich aber auch an Elementen des Gesellschaftsromans und kann qualitativ mit Werken von Donna Tartt und Stephen King mithalten. ⭐️5/5⭐️

*Übersetzt von Cornelius Hartz