Ein erdiger und kratziger Mystery-Thriller aus dem Untergrund!

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jasminh86 Avatar

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Jedes Jahr am 6. November schlägt er wieder zu. Er gräbt sich durch die Erde in die Keller seiner Opfer, zieht sie mit sich hinab in die Tiefe und verschwindet ohne jede Spur. Zufällig bekommt die Lektorin Annika Granlund ein Manuskript in die Hände, dessen Inhalt ihr das Blut in den Adern gefrieren lässt. Es ist die morbide Autobiografie eines Serienkillers, der unter der Erde lebt. Annika entscheidet, den Text zu veröffentlichen. Doch sie ahnt nicht, welche düsteren Geheimnisse dadurch noch an die Oberfläche geraten und in welche Gefahr sie sich bringt. Denn jedes Wort in dem Text ist wahr. Und nun hat der Killer sie im Visier.


"Der Gräber" von Fredrik P. Winter ist ein Mystery-Thriller, der am 27. Dezember 2021 im HarperCollins-Verlag erschienen ist. Diese unheimliche und erdige Untergrund-Geschichte hat mir wirklich gut gefallen. Obwohl die schaurige Handlung eher ruhig ist, wurde ich bestens unterhalten. Das Einzige womit ich nicht warm wurde, waren die Protagonisten. Das Ermittler-Duo Cecilia Wreede und Jonas Andrén waren für meinen Geschmack gar nicht gut ausgearbeitet, weshalb ich überhaupt keinen Draht zu ihnen aufbauen konnte. Dasselbe gilt für die Lektorin Annika Granlund, die sogar über Leichen geht, damit sie in ihrem Job vorankommt und der Traum vom eigenen Haus ohne Keller nicht zerplatzt. Sie wird seit einem Erlebnis aus ihrer Kindheit von einer Phobie begleitet und sie macht es ihrem Ehemann Martin deshalb in manchen Situationen echt nicht leicht. Erst das Haus, dann sollen die Kinder gezeugt werden-das ist ihr Traum von einem glücklichen Leben. Jedoch kommt es für sie anders als erwartet. Nachdem sie endlich ein geeignetes Haus gefunden hat, tritt anstatt Glück das Gegenteil ein. Sie schlafwandelt wieder regelmäßig und nimmt gleichzeitig seltsame, kratzige Geräusche wahr, die aus dem Keller kommen, die sie anfangs noch zu ignorieren versucht. Doch da ihr gesundheitlicher Zustand immer weiter bergab sinkt, kann sie diese mysteriösen Vorkommnisse in ihrem neuen Zuhause nicht mehr ignorieren. Ihre Ehe mit Martin leidet stark unter ihrem Verhalten, weshalb sie sich auf die Suche nach den unheimlichen Geräuschen und dessen Ursache macht. Erschreckende Szenen und Informationen aus dem fiktiven Thriller "Ich bin der Gräber" eines verschollenen Autors gleichen der Handlung eines gleichnamigen und realen Serienmörders, der seit Jahren in der Nacht zum 6. November in den Göteborger Villenvierteln ein Opfer auswählt. Er gräbt sich durch die Kellerböden und verschleppt sie, nachdem er sie vorher brutal ermordet hat. Für Annika rief der Text des Manuskripts, der mit Erde beschmiert plötzlich vor dem Eingang des Verlags lag, tiefes Unbehagen hervor. Er greift ihre persönlichen Erinnerungen auf, als kenne der Verfasser ihren persönlichen Alptraum. Der Gräber ist der Polizei ein großes Rätsel, besonders für die Mordermittlerin Cecilia Wreede.

Mit diesem Charakter wurde ich überhaupt nicht warm, denn ich empfand ihre Art als sehr unsympathisch und ihre Ermittlungsmethoden haben ebenfalls zu wünschen übrig gelassen. Anstatt sich eifrig auf die Jagd nach dem Serienmörder zu machen, vertreibt sie sich ihre Zeit lieber auf der Tinder-App, immer auf der Suche nach einer neuen Bettbekanntschaft. Ich hatte bei ihr deutlich das Gefühl, dass ihr dies wichtiger war, als den Gräber zu schnappen. Ihr Verhalten war die ganze Zeit distanziert, kühl und insgesamt kam sie für mich nicht als freundliche Person rüber. Die Frage, ob das Manuskript wirklich vom verschollenen Autor Jan Apelgren stammt, war lange Zeit nicht klar, was geschickt für Verwirrung gesorgt hat. Ob das Buch, wie auf dem Titelblatt angegeben, wirklich von ihm war, hat mir bis zur Aufklärung keine Ruhe gelassen. Denn ich habe mich oft gefragt, wo er steckt oder ob der Gräber das Buch in seinem Namen geschrieben hat. Annika war jedoch rasch überzeugt, dass Apelgren definitiv nicht der Autor sein kann und erklärt ihn auf dem Papier für verstorben.

Authentisch war die Polizeiarbeit nicht, jedoch entfaltete die Handlung einen unheimlichen Sog und eine dichte Atmosphäre, weshalb ich schnell in den Bann gezogen wurde. Es gab viele spannende Momente und der Plot hat mich mit gut aufgebauten Szenen überzeugt. Insgesamt rief die Geschichte bei mir während des Lesens oftmals Unbehagen hervor, was mir gut gefallen hat. Die Parallelen vom fiktiven Buch und der Realität des Gräbers wurden immer deutlicher, als eine dritte Erzählperspektive eingebaut wurde. Die anderen beiden haben von Anfang an Cecilia und Annika übernommen. Fiktive und mystische Beschreibungen, die unter der Erde hausen und sich so durch das Kellerfundament in die Häuser der Opfer graben, fand ich detailliert und bildlich sehr gut beschrieben. Jan Apelgrens' Rückblenden vor seinem Verschwinden, die aus seiner Sicht geschildert wurden, haben mit der Zeit Licht ins Dunkeln gebracht, seine Gedankengänge und Handlungen waren somit besser nachzuvollziehen. Verschiedene Verdächtige wurden präsentiert und überraschende Wendungen wurden eingebaut, der flüssige und lockere Schreibstil hat für einen schnellen Lesefluss gesorgt. Die Geschichte des Gräbers wird knapp in Form einer Autobiografie in der Ich-Erzählperspektive erzählt, indem der Autor über jedem Kapitel etwas aus dessen Leben preisgibt. Die letzten Seiten, die in Kellerräume abspielten, haben bei mir für Entsetzen und Gänsehaut gesorgt, die letzten offenen Fragen wurden mir bis zur letzten Seite zufrieden stellend beantwortet. Die Bedrohung, die der Gräber von Anfang an darstellt, obwohl er nicht direkt vorhanden war, konnte ich deutlich spüren. Seine Beweggründe wurden mit der Zeit immer deutlicher, wer ihn zu seinen brutalen Handlungen angestiftet hat fand ich gut eingearbeitet. Das Warum wurde schlüssig erklärt. Das Ende enthält zwar keinen eindeutigen Cliffhanger, jedoch könnte ich mir mit diesem Finale eine Fortsetzung sehr gut vorstellen. Von mir gibt es vier von fünf Sterne, der Sternabzug gilt den unmöglichen Protagonisten. Charakterlich konnte mich überhaupt niemand erreichen, etwas Tiefe und menschliche Züge hätten nicht geschadet.
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