Die Macht der Worte

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throughmistymarches Avatar

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“Warum lasen die Menschen Bücher? Warum gingen sie ins Kino und ins Theater? Doch nicht, weil sie die Wahrheit wollten. Sie wollten träumen, sich in den Geschichten der anderen wiedererkennen. Und er, Hartung, half ihnen dabei.”

Michael Hartung, der “Held” dieses Romans, sieht sich als eine Art Geschichtenerzähler. Er will ja eigentlich gar kein Held sein. Im September 2019, kurz vor dem 30. Jubiläum des Mauerfalls, bekommt der Videothekbesitzer Besuch von einem Journalisten, der Hartungs Namen in alten Stasi Akten gefunden hat. Missverständnisse, Geldsorgen und die Hoffnung auf einen großen Scoop sorgen letztendlich dafür, dass ganz Deutschland glaubt, Hartung habe als Stellwerkmeister am Bahnhof Friedrichstraße eine spektakuläre Massenflucht aus der DDR eingefädelt, indem er einem S-Bahn-Zug in den Westen verhalf. Wirklich recht ist es Hartung nicht, als die Story plötzlich größer ist als gedacht. Aber plötzlich bekommt er, ein eher verschlafener Taugenichts, Anerkennung von allen Seiten. Dabei ist es ihm fast wichtiger, dass seine erwachsene Tochter plötzlich Kontakt zu ihm aufnimmt, als die Einladungen in Talkshows und beim Bundespräsidenten. Dann taucht auch noch eine Frau auf, die als Teenagerin mit ihren Eltern in jener S-Bahn saß und während sich Hartung immer weiter in Lügen verstrickt wird gleichzeitig klar, dass es unmöglich ist, sie weiter aufrecht zu erhalten.

Ein wenig erinnerte mich das Grundthema dieser Hochstaplergeschichte an “Lila, lila” von Martin Suter; doch der Fokus von “Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße” ist auch immer wieder auf unserem Umgang mit Erinnerungskultur. Zwar ist die Betrachtungsweise häufig überspitzt, aber doch irgendwie recht zutreffend, zum Beispiel beim Umgang der Medien mit den Themen, denen es weniger um die tatsächlichen Inhalte geht, sondern es fast zu einem Überbietungswettkampf kommt, wer die reißerischste Story hat. Immer wieder gibt es richtige gute Szenen, aber irgendwie konnte mich die Geschichte als Ganze nicht richtig packen.