Schwipptide - der Moment, an dem das Wasser stillzustehen scheint

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owenmeany Avatar

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Als "großes Kino" kann man diesen Familienroman nicht gerade bezeichnen, aber er hat eine ganz solide Daseinsberechtigung wie ein Sonntagabendfilm fürs Herz.

Eine professionelle Geigerin gerät aus dem Tritt, als sie nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes alleine verantwortlich ist für vier Kinder vom Vorschulalter bis zu den Pubertierenden. Eine neue Chance sieht sie im Kauf eines alten Gasthofs im Alten Land, aber die unvorhergesehenen Schwierigkeiten werfen die traumatisierte Künstlerin beinahe vollständig aus der Bahn. Auch die neue Liebe zu einem Mann wird erschwert durch Verletzlichkeiten auf beiden Seiten, entstanden aus schmerzhaften Erfahrungen.

Bei aller Sympathie für die meisten Figuren konnte ich doch eine gewissen Klischeehaftigkeit nicht übersehen, besonders bei den negativen Protagonisten. Sich anbahnende Konflikte harren aber nicht zu lange der Auflösung, entsprechend ist der Spannungsbogen überschaubar. Gerade wie sich das Ende so fügt, ist ein bisschen zu sehr "Friede, Freude, Eierkuchen", aber wenigstens klappt man das Buch dann zufrieden zu.

Warmherzig charakterisiert Pauling die Familie und die ihr Wohlgesonnenen. Wie die in Coolness schwebende Rieke praktisch zupackend die Dinge in die Hand nimmt, der sich in seiner Verantwortung für das seelische Gleichgewicht der Mutter und der Geschwister verzettelnde Rasmus aus seiner Depression herausfindet, die verschrobene Martha unbeirrt und gewissenhaft ihren Weg geht und der kleine Golo einfach nur herzig ist - das schildert die Autorin ganz ergreifend.

Obwohl die angesprochenen Probleme durchaus existenzielle Dimension haben, empfehle ich den Titel allen, die sich nicht verwirren lassen möchten durch mühsame Komplexitäten, sondern sich den Glauben an das Gute in den Menschen bewahren möchten.