Eine Insel als Zufluchtsort

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Wir haben es bei „Der Inselmann“ von Dirk Gieselmann mit einem sehr ruhigen Roman zu tun, der von einer bedachten Sprache und eindringlichen Geschichte getragen wird.

Zunächst lernen wir Hans und seine Eltern kennen. Zusammen bilden sie die Familie Rohleder, die zu Beginn der 70er Jahre das deutsche Festland verlässt und auf eine unbewohnte Insel zieht. Auch wenn die Gründe nicht explizit genannt werden, so scheint es eine Flucht vor der Schwere des Alltags zu sein. Gepaart mit der Hoffnung auf Erleichterung und Freiheit. Doch schnell wird klar, dass die eigentlichen Probleme sich nicht lösen lassen, indem man vor ihnen flieht. Je mehr wir über die Familie, erfahren, umso mehr spüren wir ihren Schmerz. Der Junge, in dem so viel Potenzial steckt, welches jedoch bereits im Keim erstickt wird. Und die Eltern, die daran verzweifeln.

Dirk Gieselmann hat einen Sprachstil, der mich schon nach den ersten Sätzen mehr als überzeugt hat. Jedes Wort scheint wohlbedacht zu sein. Er setzt rhetorische Mittel ein, die mich zum Staunen bringen. Denn sie drücken das Wesentliche mit all ihrer Kraft aus und erzeugen eine ganz besondere Atmosphäre. Ich fühle mich zurückversetzt in eine entschleunigte Zeit, die jedoch auch ihre Schattenseiten hatte. Während des Lesens hatte ich das Gefühl, als sei hier nicht nur ein ausdrucksstarkes Buch, sondern auch Gemälde seinesgleichen entstanden. Und wie sich dieses und auch die Erzählung nach und nach entwickeln, mit jedem weiteren Pinselstrich und Satz, erkenne ich die Parallele zu Hans‘ allmählicher Entwicklung, die wir als Leser:innen beobachten und begleiten dürfen.

Obwohl das Buch mit 171 Seiten nicht allzu umfangreich ist, sollte man sich Zeit nehmen, um das, was dort mit Worten geschaffen wurde zu erkennen, einzuordnen und auf sich wirken zu lassen. Haupthandlungsort ist eine Insel, und auf eine solche kann man sich begeben, wenn man „Der Inselmann“ zur Hand nimmt. Eine kleine Flucht aus der Realität, hinein in etwas Unbekanntes. Das Buch hat mich sehr berührt und ich werde es noch lange in Erinnerung behalten, insbesondere Hans, den ich als Romanfigur liebgewonnen habe.