Insel - Paradies oder Ort der Einsamkeit

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herr_rabowski Avatar

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Die Roleders, sie sind irgendwie sonderbar und passen nicht so richtig in die Welt. Es sind die 60er Jahre. Die dreiköpfige Familie hat ein Zimmer in der Wohnung einer Kriegswitwe angemietet. Sie leben auf engstem Raum in armen Verhältnissen. Eines Tages hört der 10-jährige Hans seinen Vater sagen: Ich kann nicht mehr. Wir gehen auf die Insel. Für Hans klingt das nach einem großen Abenteuer. Er ist der Außenseiter und Prügelknabe in der Schule. Die Flucht auf die Insel erscheint ihm ein wahrer Segen. Und so bricht die Familie an einer kalten Herbst-/ Winternacht mit ihrem wenigen Besitz auf. Die Insel ist verlassen. Die Hütte darauf hat die besten Jahre hinter sich und schon viele einsame Gestalten beherbergt. Sie werden Selbstversorger mit ein paar Schafen und dem, was sie anbauen können. Doch eines Tages wird die vermeintliche Idylle durch einen Brief der Schulbehörde gestört. Es besteht Schulpflicht und Hans muss zurück in die "normale" Welt.

Die ganze Geschichte ist für mich schwer greifbar gewesen. Die Schilderungen der Natur und die malerischen Träumereien des jungen Hans, der der König dieser Insel sein will, waren schön zu lesen, was sicher dem ausgezeichneten Schreibstil zu verdanken ist. Genauso wie das Cover lädt die sehr bildhafte Sprache zum gedanklichen Abschweifen ein. Dirk Gieselmann bewirkt mit seinen Worten eine sehr treffende Atmosphäre, je nach Umgebung des Hans. Die Einsamkeit und Verbundenheit mit der Natur waren als Leserin für mich spürbar.

Und doch sind es einsame Menschen auf einer Insel, die durch die Abwesenheit anderer in ihrer Verschrobenheit zunehmen und ein staatliches System, das keinen Ausbruch duldet und Kinder mit fragwürdigen strengen sowie psychisch und physisch inakzeptablen Erziehungsmethoden in eine vorgegebene Richtung drängt.
Mir tat der junge Hans Leid, dessen junge Jahre von einer Ablehnung geprägt wurden, die ihn sein gesamtes Leben nicht mehr verlässt. Einer  der irgendwie nicht Fuß fassen kann.

Dirk Gieselmann wirft viele Fragen auf und beantwortet sie mit Gegenfragen. Denn  es ist normal im Leben, alles kann sein und gleichzeitig auch nicht sein. Ich fand es gut, dass auf diese Weise zu einem konträren Gedankengang angeregt wird. Ich hatte das Gefühl, dass dadurch eine gewisse Tiefgründigkeit erzeugt werden sollte, die nach meinem Empfinden nur angerissen blieb. Das Buch hat mich eher mit dem Gefühl von Hoffnungslosigkeit zurückgelassen.

Am Ende hat sich mir die Essenz der Geschichte jedoch nicht erschlossen. Eine schöne Erzählung, die mich leider nicht abholen konnte.