Intensives Leseerlebnis

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bücherfreund99 Avatar

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‚Wir müssen hier weg. Wohin sollen wir denn gehen? Auf die Insel.‘ Dirk Gieselmann erzählt die Geschichte einer Flucht: Der zehnjährige Hans zieht mit seinen Eltern auf eine abgelegene Insel.
Das Titelbild lässt keine falschen Erwartungen aufkommen: Es handelt sich keineswegs um eine entlegene wie etwa in Südsee oder Karibik, keine exotische Idylle, sondern um eine Insel in einem See.
Trotzdem steht ‚ihre‘ Insel im Zentrum ihrer Sehnsüchte: ‚Die Hoffnung war aus dem Land gewichen‘. Hauptsache, das alte Leben hinter sich lassen und sich dem Zugriff von vermeintlicher Ordnung und Obrigkeit zu entziehen. Dazu der spießigen Enge des Umfeldes entkommen. ‚Die Zeit hat mich vergessen?‘, sagt Hans.
Gieselmann beschreibt das Erleben des Jungen in einer großen sprachlichen Intensität: Die Insel: ‚Sie heißt nichts willkommen und nimmt auch keinen Abschied. Sie lässt alles geschehen.‘ Der Junge glaubt sich am Ziel seiner Träume: ‚Es war ein schönes Gefühl gewesen, schrecklich und schön, der Welt abhandengekommen zu sein, unauffindbar wie ein verlegter Schlüssel.‘ Es ist aber auch die Geschichte einer Odyssee. Hans bekommt die Macht der staatlichen Institutionen zu spüren und muss für einige Jahre die Insel und seine Eltern verlassen. Als er zurückkehrt, stellt er sich Fragen: ‚Wo hört die Suche auf, wo beginnt die Heimkehr? Was kommt, wenn die Zeit ihre Bedeutung verloren hat?‘
Dirk Gieselmann hat keine typische Aussteigergeschichte geschrieben. Stattdessen ist ihm ein berührender Roman gelungen, der den Leser mitnimmt in Hans‘ Gedankenwelt und auf dessen Reise. Eine ermutigende Geschichte von einem Jungen, der sich im Respekt vor der Natur mit Mut und Selbstbewusstsein durchs Leben schlägt. Gieselmanns subtile Sprache beeindruckt und macht seinen Debütroman zu einem Leseerlebnis.