Sehnsucht nach Einsamkeit - traurig, aber wunderschön poetisch geschrieben!

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lia48 Avatar

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INHALT:

„Sie waren erschöpft, und erschöpft war jedes Wort, das sie noch kannten. Sie dachten nach, jeder für sich, allein in einem Nebel, der undurchdringlich in ihren Köpfen stand, kamen vom Weg ab und waren verloren.“

Hoffnungslosigkeit hat sich in ihnen breitgemacht, genauso wie die Sprachlosigkeit, die in ihr Leben geschlichen ist.
Manchmal bricht es aus dem Vater heraus, er schreit und wird laut.
Sie können nicht mehr, brauchen eine Veränderung.
Daher zieht die Familie Roleder acht Tage vor Weihnachten von der Stadt, auf eine einsame, unbewohnte Insel mitten im See. Eine Art Flucht vor dem Leben, den Menschen und der Wirklichkeit.
Die Leute sind verwundert und halten die Familie für eigenartig.
Der 10-jährige Hans ist erleichtert, endlich entkommt er den lästigen Schikanen des Nachbarjungen und hofft, dass ihn Kalle, sein einziger Freund, in seinem neuen Zuhause einmal besuchen kommen wird.
Seine Eltern liebt er mehr, als sie ihn.
„Wenn die Eltern nur wüssten, dachte Hans, wie lieb er sie hatte, dann würden sie lächeln, dann wären sie froh. Dann wäre endlich ein Blau am verhangenen Himmel zu sehen.“
Der Vater versucht sich, seiner neuen Aufgabe als Schäfer zu widmen.
Hans kann die tägliche Graupensuppe bald nicht mehr sehen, die Arbeit ist hart und sie haben nicht viel zum Leben. Doch der Junge zeigt sich genügsam, liebt die neu erlangte Freiheit, streunt mit dem Hund regelmäßig durch den angrenzenden Wald und erkundet die gesamte Insel. Schon bald fühlt er sich eng mit dieser verbunden. Mit seiner Insel. Hier kann er sein, wie er ist!

Bis ihn eines Tages die Schulbehörde aus seiner Traumwelt reißt und ihm alles nimmt, was ihm etwas bedeutet.
Schließlich wird er komplett von den Eltern und seinem Zuhause getrennt.
Er träumt davon, zurückzukehren. Endlich wieder auf seiner geliebten Insel zu sein, abgeschirmt in ersehnter Einsamkeit.
Ob dies je wieder der Fall sein wird?

„Und was ist mit Hans: Ist seine Geschichte traurig? Ist sie schön? Ist sie beides?"


MEINUNG:
Es gibt diese Bücher, die man schon nach wenigen Sätzen in sein Herz schließt.
So ging es mir auch bei „Der Inselmann“ – ein Buch, dessen Schreibstil mich überwiegend sehr begeistert hat!
Es ist poetisch, teilweise beinahe philosophisch, voller schöner Sätze und mit zahlreichen gelungenen Sprachbildern und märchenhaften Zügen versehen.
Vieles wird nur angedeutet und bleibt vage (z. B. wann und wo die Geschichte spielt, was genau zuvor geschehen ist, usw.), manchmal wusste ich nicht, wie ich etwas deuten sollte, weshalb ich manche Sätze mehrmals lesen musste, was mir aber nichts ausgemacht hat. Denn gleichzeitig habe ich die Sprache sehr genossen.
Das Buch enthält viele Naturbeschreibungen, es ist sehr atmosphärisch und man bekommt die Kälte und Dunkelheit zu spüren, genauso wie die Trostlosigkeit der Eltern.
Doch mit Sohn Hans, der die Insel liebt, gelangen hin und wieder auch ein paar Funken Hoffnung mit in die Geschichte. Zudem wird seine Vorliebe zur Einsamkeit eindrücklich wiedergegeben.
Mit der Zeit habe ich immer besser mit Hans mitfühlen können und er tat mir sehr leid, als er seine Insel verlassen musste. Über seinen eher geringen Bildungsstand habe ich mich anfangs etwas gewundert, es mir dann aber mit der sozialen Abgrenzung der Familie nach außen hin, mit deren Sprachlosigkeit und der Armut, erklärt.

Auf den 176 Seiten passiert insgesamt nicht allzu viel. Häufig stört mich das in Romanen, weil ich mir mehr Handlung wünsche und dann oft enttäuscht bin. Hier jedoch mochte ich die (zum Teil sehr wohltuende) Stille im Buch, die so gut den Wunsch nach Einsamkeit widerspiegelt. Vielleicht auch, weil ich mich schon etwas auf wenig Handlung eingestellt hatte, nachdem ich eine Rezension zum Buch gelesen hatte.

FAZIT: Es ist ein kurzer Roman, der mit seiner überwiegend poetischen Sprache und mit seiner düsteren Atmosphäre besticht. Ich kann mir gut vorstellen, ihn auch noch ein zweites oder drittes Mal zu lesen, so gut hat er mir gefallen. Traurig und vage, aber wunderschön geschrieben! 5/5 Sterne!

(CN: Hoffnungslosigkeit, Tod)