Stürmische Zeiten

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
inyanmni Avatar

Von

Die Handlung von Richard Dübells Roman „Der Jahrhundertsturm“ beginnt im Januar 1840: der alte Levin von Briest liegt auf seinem Gut westlich von Berlin im Sterben, an seinem Bett wachen seine Söhne Alvin und Levin sowie der erweiterte Familienkreis. Bei der Testamentsverlesung erfährt der jüngere Alvin, dass das gesamte Erbe an seinen älteren Bruder geht. Ohne Geld und ohne Perspektive macht der 19-Jährige die Bekanntschaft Otto von Bismarcks, der ihm rät, als Offizier dem Heer beizutreten. Als die Nachricht von einem Aufstand in Jerichow eintrifft, machen sich die beiden mit einer Gruppe weiterer Männer auf den Weg und betreten schließlich zu zweit das Rathaus, in dem sich die Aufständischen verschanzt haben.

Szenenwechsel: In Paris muss Louise Ferrand dem Liebesspiel ihrer Mutter Amélie mit ihrem Liebhaber Alexandre DuPlessys, einem mit dem Eisenbahnbau befassten königlichen Beamten, zuhören. Nach dem Freitod ihres Vaters, der die Familie durch Spiel- und Alkoholsucht hoch verschuldet zurückgelassen hatte, waren Louise und ihre Mutter gezwungen, in eine kleine Wohnung in einem einfachen Viertel zu ziehen und sind nun auf die finanziellen Zuwendungen des einflussreichen Geliebten angewiesen. Louise wird schließlich Zeugin einer Trennungsszene, bei der sich Amélie erniedrigt, um das Ende der Beziehung aufzuhalten. Sie bietet Alexandre sogar ihre siebzehnjährige Tochter als neue, jüngere Gespielin an, doch der Beamte verlässt überstürzt die Wohnung und lässt Amélie und Louise verletzt und verstört zurück.

Beide Handlungen, die um Alvin in Preußen und die um Louise in Frankreich, machen Lust auf mehr, da gleich zu Beginn viele Fragen aufgeworfen und mögliche Entwicklungen angedeutet werden. Auch die Verknüpfung der beiden Stränge verspricht spannend zu werden. Sehr reizvoll finde ich die Möglichkeit, den eher als gesetzten Politiker bekannten Bismarck in jungen Jahren als zentrale – und auf den ersten Blick durchaus sehr sympathische – Figur im Roman kennenzulernen.

Dass die Handlung von Anfang an schnell in Schwung kommt, hat mir sehr gut gefallen. Durch die Kürze der Kapitel wird diese Beschleunigung noch unterstützt. Auch der Humor, der zuweilen durchscheint – etwa, wenn geschildert wird, wie der alte Levin von Briest in den letzten Jahren seinen greisen Kammerburschen ankleiden musste, oder dass Bismarcks Pferd unter seinem stattlichen Reiter wie ein Pony wirkt – ist sehr unterhaltsam. Die Gestaltung des Covers sowie der Titelseite des ersten Buches sowie die vorangestellten Zitate finde ich ebenfalls sehr ansprechend.

Ich finde die Leseprobe alles in allem sehr gelungen und würde das Buch gerne lesen.