Ein sehr irisches Buch

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Mit Garrett Carr betritt ein Autor die Literaturbühne, von dem wir vermutlich noch einiges Interessante zu hören bzw. lesen bekommen werden.

„Der Junge aus dem Meer“ erzählt von einem Dorf bzw. einer Familie in den 1970er und 1980er Jahren. Das Dorf liegt in im äußersten Nordwesten Irlands, wo Ambrose als Fischer arbeitet und mit seiner Frau Christine ein Baby adoptiert, das in einem Fass am Strand angetrieben wird. Wo es herkommt, bleibt ein Rätsel, doch wer die Iren kennt, ahnt, was passiert: Das Dorf und insbesondere Ambrose und seine Familie kümmern sich – was jedoch im Laufe der Zeiten nicht immer reibungslos bleibt, erst recht, als die Zeiten härter werden.

Vermutlich ist dieses Buch eines derer, die man liebt oder hasst. Auf jeden Fall ist es eines, das man vermutlich nur lieben kann, wenn man Irland und die Iren einigermaßen kennt bzw. liebt. Denn es ist in mancherlei Hinsicht genau wie das Volk (hier in Form eines exemplarischen Dorfes und einer Familie), im positiven Sinne gesprächig bzw. wortreich: Man erzählt und hört gern zu, man kümmert sich umeinander, man mag Geschichten, gern zumindest vermutlich zu der Zeit auch noch solche mit mystisch anmutenden Anklängen (hier in Form des rätselhaften Babys, das dem Dorf Hoffnung macht). Carr erzählt das auf der Leinwand nicht ganz neuer Motive: Familie und die darin nicht immer harmonische Stimmung (vor allem zwischen den Brüdern, aber auch schlicht „totschweigen“, Dinge unausgesprochen lassen), Dorfleben (auch bzw. gerade vor dem Hintergrund des afrikanischen Sprichworts, dass es ein Dorf brauche, um ein Kind zu erziehen), schwierige ökonomische Bedingungen und ein bisschen Lebensgeschichte eines ungewöhnlichen Jungen. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, sodass man eben „alles“ auch aus verschiedenen Perspektiven wahrnimmt, sie „gelten lassen kann“. Der Einstieg fiel mir nicht ganz leicht, weil ich mich zunächst mit der Erzählweise anfreunden musste, doch einmal drin, floss die Geschichte bis auf einzelne Längen dahin. Hervorzuheben ist Carrs Liebe zu seinen Figuren, vor allem aber sein Gespür dafür, wie viel Tragik und wie viel Humor seine Geschichte verträgt – auch das eine ziemlich irische Eigenheit. Für die Lektüre des Buches muss man Carrs Stil sehr mögen, um die Geschichte zu lieben – beim Hörbuch fiele es m. E. leichter, denn da könnte man sich noch mehr fühlen wie in einem irischen Pub, wo einem jemand die Geschichte erzählt. Ohne Längen und als Hörbuch hätte es vermutliche volle Punktzahl gegeben, so bleibt es bei 4 Sternen.