Unglaublich atmosphärisch

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In Ocean Vuongs neuem Werk ‚Der Kaiser der Freude‘ geht es um den 20-jährigen Hai, der sich zunächst das Leben nehmen möchte. Doch dabei erwischt ihn die demenzkranke Grazina, die dereinst als litauischer Weltkriegsflüchtling in das gottverlassene East Gladness kommt. Sie lässt Hai bei sich wohnen, der sich im Gegenzug liebevoll um sie kümmert und dabei sogar mit in ihre Vergangenheit reist. Außerdem beginnt er, für ein Franchise-Restaurant zu arbeiten, dessen Belegschaft aus Underdogs eine eingeschworene Mannschaft bildet, die einander durch dick und dünn hilft. Dabei ist es irgendwie implizit klar, dass es nicht für diese Menschen - und vermutlich auch für sonst niemanden - ein Happy End geben kann, höchstens ein halbwegs ok Durch-das-Leben-kommen.
Für mich war ‚Der Kaiser der Freude’ ein Buch, wie es sein soll: Eine Reise in fremde Welten und ein intensives Mitfühlen mit den Figuren, so sehr sie sich auch von einem selbst und der eigenen Welt unterscheiden. Ocean Vuongs wundervolle Beschreibungen der Umgebung und die oft philosophischen Gedanken in Hais Kopf haben mich sehr bewegt. Gleichzeitig ist das Buch zutiefst melancholisch und wahrlich keine leichte Kost, so alltäglich wie Substanzenmissbrauch, ungeklärte Morde, Todesfälle und traurige Familienschicksale im Leben der Romanfiguren sind.
Wer sich aber traut, einmal in eine solche Perspektive hineinzufühlen, dem sei Ocean Vuongs ‚Der Kaiser der Freude‘ wärmstens empfohlen.