Erschreckende Horrorszenerien die nach unbedingter Aufklärung schreien - Kastanienfiguren sind der Schlüssel

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kassandrasrufe Avatar

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Vorab: sehr wertvoll finde ich es immer, wenn beim Originaltitel geblieben wird und man sich auch schon mal die Mühe einer entsprechenden Übersetzung macht. Hier muß nichts gefeilt werden, denn der dänische Titel ist deckungsgleich ins Deutsche übertragen und dafür bin ich dankbar.
Der Thriller des dänischen Autors Søren Sveistrup beginnt im Jahre 1989, mit dem Reformationstag oder auch Fest zu Halloween, geschichtlich einsortiert: kurz vor dem Mauerfall in Berlin.
Marius Larsen, Leiter eines Polizeireviers, steht kurz vor seiner eher unwillkommenen Pension, was sich in der herbstlichen Atmosphäre metaphorisch wiederspiegelt. Er wird auf einen Hof gerufen, -zum ersten Mal treten hier Kastanienbäume die wie eine Mauer den Hof umstellen in den Beachtungskreis der Leserschaft,- und er selbst rechnet erst mit mal wieder ausgebrochenen Tieren, einem Bagatell-Einsatz. Doch die Ereignisse überschlagen sich:
Krähen um ein totes Schwein künden dem lesenden Zeilenverfolger Unheilvolles an, und schon betritt er mit dem Kommissar eine schauerlich blutige Szene: eine durch einen Gesichtsschuß entstellte Teenagerin und auch ein erschossener älterer Junge, sowie eine bestialisch hingerichtet Frauenleiche (vermutlich die Mutter), ein weiterer Sohn (?) ebenso brutalst hingerichtet, der aber noch den Anschein eines Atems aufkommen läßt, befinden sich im Haus des Hofes. In einer sich gespenstisch aufdrehender Spannung sucht Marius gehetzt nach dem ausbleibenden Geschwister-schwesterchen der Familie – er findet es in einem Versteck, lebend, unverletzt – die einzige Zeugin ? dieses schier unvorstellbaren Verbrechensszenarios. Außerdem fallen ihm eine Unmenge an verschiedenartigsten Figuren zusammengebastelt aus Kastanien auf, davon kurz abgelenkt wird er selbst Opfer durch einen Axtschlag ausgeführt durch die Hand eines weiteren Jungen. Hat er diesen Anschlag überlebt? Wer ist der Axt-Junge? Was wurde aus dem Mädchen? Vorläufig erfolgen auf einen Fächer sich ergebender Rätselfragen keinerlei Hinweise geschweige denn Antworten, vielmehr erfolgt hier ein Zeitsprung, und die Handlung setzt erst mit dem 5.Oktober der Gegenwart wieder ein.
Eine Laura ist bestialischter Folter ausgesetzt. Sehr ausführlich wird dies geschildert, unerträglich ist das Lesen dieser Schauerszene wie aus einem Hardcore-Horrorstreifen -- sie muß wohl dann verstorben sein? denn wer kann eine solche Zurichtung überleben? Wer ist/war sie? Und, wem ist die unheilvolle männliche Stimme zuzuschreiben?? Vorläufig erfährt der Leser keine weiteren Anhaltspunkte. Das nächste Kapitel findet am folgenden Tag statt, und hier wirkt der abrupte Wechsel zu einer morgendlichen erotischen Bettszene total unpassend, wenn nicht verstörend. Oder soll das Leserpublikum damit in den Alltag zurückgerissen werden? Später erfährt der Leser, daß es wohl ein gewisser Sebastian war mit dem Naia Thulin hier Sex hatte. Über sie erfährt man im weiteren mehr. Daß ihre Tochter „Le“ heißt ist ein weiterer verwirrender Punkt. Als die Polizistin, die nach einer neuen spannenderen beruflichen Herausforderung sucht, ihr Kind an der Schule absetzt, kommt sie sich kurz beobachtet vor. Ihr Leiter bei der Mordkommission ist Nylander, der mit Bürokratie und Ressourcenbeschaffung bestürmt wird. Kapitel für Kapitel eröffnen sich immer weitere lose Fäden und neue Szenen werden geschildert, weitere Charaktere eingefugt. Wie die Morde vor einigen Jahren mit neuerlicher Toten zusammenhängen, möchte der Leser gerne miträtselnd herausfinden und auch wie genau die einzelnen Puzzelstücke zu einem richtigen Bild gesetzt werden können.
Der Schreibstil ist sehr flüssig, ein zügiges Lesen ist somit versprochen, auch scheinen teils Sätze wie getaktet aufzutreten, als Wiedergabe eines beschleunigten Atmens, gehetzt-verzerrten Aufkeuchens, wie er sich bei z.B. Angstzuständen ergibt.