Das letzte Aufbäumen der Katharer

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annajo Avatar

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Sériol, 1308: Nach der Judenverfolgung in Paris landet die junge Alissende schließlich in einem kleinen Bergdorf im Süden Frankreichs an der Grenze zu Spanien. Ihr selbst sind Glaubensfragen egal, aber das Katharertum ihrer neuen Arbeitgeber ist dem katholischen Bischof ein Dorn im Auge und schon bald greift die Inquisition nach der Dorfgemeinschaft.

Liv Winterberg hat sich der religiösen Verfolgung der Katharer gewidmet, und zwar zu dem Zeitpunkt, als sie bereits dem Untergang geweiht waren. Die großen Festungen sind bereits gefallen, nur in den Pyrenäen gibt es letzte Wiederbelebungsversuche der Bewegung. Obwohl Sériol ein fiktives Dorf ist, ist es - scheinbar eng - angelehnt an die historischen Ereignisse in Montaillou. Fast die gesamte Dorfbevölkerung wird verhaftet, lediglich die Kinder bleiben zurück (auch im Klappentext nachzulesen, also kein Spoiler).

Im Vergleich zu Winterbergs vorangegangenem Buch ("Sehet die Sünder") ist "Der Klang der Lüge" nicht ganz so spannend, hält den Leser aber trotzdem bei der Stange. Statt detaillierter Darstellungen von Befragungen, möglicherweise Folter und Ketzerverbrennungen widmet sich dieses Buch eher dem Nacherleben der Ereignisse und Erlebnisse eines Dorfes, das sich plötzlich im Fokus religiöser Säuberungen befindet. Das Buch vermittelt eine bedrückende Stimmung und aufkommendes Misstrauen unter den Bewohner, denn es scheint mindestens einen Verräter zu geben. Es lässt sich leicht mit Alissende mitfühlen und aus ihrer Sicht erfahren, was Katharer eigentlich sind. So bekommt man ein -wenn auch nicht detailliertes - Verständnis dafür, was die Katharer allgemein waren und glaubten. Allerdings habe ich oft begleitend auch Wikipedia konsultiert, da mir die vorhandenen Informationen nicht ausreichend für ein tieferes Verständnis waren. Auch werden frühere historische Ereignisse zwar erwähnt, aber nicht näher ausgeführt. Das Buch enthält wiederholt Perspektivenwechsel zwischen festgelegten Personen. Gern hätte ich jedoch auch noch einen Schwenk zu den Verhafteten gehabt um besser verstehen zu können, warum auch eine Haftstrafe sehr gefürchtet war. Das hätte das ganze Ausmaß der Verfolgung vielleicht noch greifbarer gemacht.

Insgesamt hat mir "Der Klang der Lüge" aber gefallen und es hat einen interessanten historischen Hintergrund aufgegriffen. Der Schreibstil der Autorin hat mich überzeugt, da er der Epoche angemessen und nicht oberflächlich erschien. Auch wenn das Buch nicht uneingeschränkt spannend war, haben andere Aspekte weiter zum Lesen angeregt. Und insbesondere hat es zu weiterer Recherche und zu weiterem Nachdenken über die Ereignisse inspiriert.