Auf Null gestellt

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"Das Leben als Puzzle. Sandro Veronesi erzählt von den Verwerfungen, die das Schicksal des Augenarztes Marco Carrera prägen. Eine psychologisch raffinierte Geschichte mit unvergleichlichen Charakteren, von familiärem Unglück und einer großen, lebenslänglichen Liebe.
Marcos Dasein gleicht dabei dem eines Kolibri: Auf der Suche nach Ruhe ist er ständig in Bewegung. (Klappentext)

Ist das Schicksal dabei einem immer wieder die Luft zum Atmen streitig zu machen, um das Leben auf Null zu stellen, könnte die Lebensform eines Kolibris eine erstrebenswert heilende sein. Ist doch die Null im Leben kein tragender Verweilort, auch wenn der Sog des Nulllochs erlösende Substanzen suggeriert. Ein konstant monotoner Flügelschlag scheint angebracht, um der Null zu entkommen, gerade dieses aufkeimende Standbild verspricht eine bestimmte Ruhe, die sich manch einer zu erfühlen wünscht:

"Jetzt war es klar: Sein Leben hatte ein Ziel. Nicht alle Leben hatten eines, seins hatte eins. Die schmerzlichen Wechselfälle, die es gezeichnet hatten, hatten ebenfalls ein Ziel, nichts war zufällig geschehen." (294)

Den Befindlichkeiten meines Sohnes lauschend, liefen wir an den Maisfeldern entlang, da flatterten meine Gedanken zum 'Der Kolibri'. Ich hielt in Bewegung denkend inne: Ja, der Lektüre war wie der Reifeprozess eines Maiskolben: lang und ausgedehnt, um dann dem Speisenden einen vollmundigen Genuss bescheren zu können. Vollmundig konnte ich den Roman sättigend geniessen, auch wenn einiges zu roh begann.
Als Liebhaber der italienischen Literatur wurden meine Augen sowie meine Ohren mit grazil fließend gehaltvollen Sätzen belohnt. Der Übersetzer 'Michael von Killisch-Horn' schafft es grandios den Gesang der italienischen Sprache ins Deutsche zu transferieren. Chapon!

"Ein eigener Frieden, wie unter Wasser... Wie viele Personen sind in uns begraben." (334)
Ja Marco, das frage ich mich auch sehr oft.