Die Tragik des Lebens...

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mike nelson Avatar

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Der Kolibri - steht flatternd in der Luft, kann vorwärts und auch rückwärts fliegen, wie man so sagt. Klein ist er, mit starkem Willen ausgestattet, den Nektar des Lebens auszusaugen. Sandro Veronesi lässt seinen Protagonisten, den Augenarzt Marco Carrera, zurückschauen auf das Vergangene und hineinschauen in das Zukünftige. Puzzlestücke eines Lebens - zwischen den Jahren 1960 und 2030. Das Innehalten des Kolibris (so auch der Spitz-/Kosename von Marco) in der Luft scheint nur wie Bewegungslosigkeit, denn das Leben geht nie an einem vorbei sondern betrifft uns stets in all seiner Fülle. So ereignen sich im Leben des Protagonisten die halbwegs normalen und erwartbaren Tode - die der Eltern -, Tode, die nicht sein sollten, weil sie sich vor der vorgesehenen Zeit ereignen - der Suizid der Schwester, der Unfalltod der Tochter; eine Trennung, eine 50 Jahre überdauernde, unerfüllte Liebe, Glück und Unglück... und auch Psychoanalytiker durchziehen wie ein (roter) Faden die Geschichte von Marco Carreras Leben. Zuweilen wünscht man sich als Leser im Verlauf des Romans eine zeitlich stringentere Abfolge der Ereignisse, doch wird die Geduld am Ende mit einer trotz großer Traurigkeit fantsastischen Schlussszene belohnt. Große Leistung, wie der Autor in der Mitte der Geschichte über sieben Seiten hinweg, quasi in einem nicht enden wollenden, einzigen Satz berichtet, wie Marco vom Tod seiner Schwester erfährt. Die Haltung seiner Hauptperson zum Leben beschreibt Sandro Veronesi wie folgt: "Im übrigen war er nicht auf der Suche nach dem Coup, der sein Leben auf Vordermann brachte. Er war auf der Suche nach dem Grund, um sein Leben fortzuführen." Eine ganz besondere Lektüre - für all diejenigen, die um Glück, Tragik und Hoffnung im Leben wissen!