Sprachgewaltige Familienchronik

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drums030 Avatar

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"Der Kolibri" fällt eigentlich aus meinem typischen Leseraster (das da wäre: gute, aber sprachlich wenig anspruchsvolle Krimis / Thriller). Trotzdem sprachen mich Cover und Klappentext an und auch die Leseprobe zog mich sofort in ihren Bann. Sowohl wegen der Handlung, die spannend beginnt als auch wegen der meisterhaften Sprache - eine solche konnte mich schon immer begeistern auch wenn ich inzwischen eher sprachlich weniger anspruchsvolle Genres lese.
Das Buch beginnt mit einer spannenden Situation, die jedoch nur im ersten Kapitel eine Rolle spielt. Nachfolgend wird man in verschiedenste Zeitebenen versetzt, teilweise durch einfache Erzählungen, teilweise aber auch durch Briefe / E-Mails / Telefonate. Jedes Kapitel ist wieder eine andere Erzählebene wobei in den Zeitebenen immer wieder hin und her gesprungen wird. Sicherlich gibt das dem Buch eine gewisse Abwechslung und auch einen Spannungsbogen, mir ging es allerdings öfter so, dass ich etwas traurig war, dass die Handlung hier und dort nicht weiterging sondern man erst Kapitel später wieder auf diesen Erzählfaden stieß. Andererseits erschließt sich einem der Protagonist durch die häppchenweisen Informationen aus verschiedenen Zeiten immer mehr.
Insgesamt deckt das Buch erzählerisch die gesamte Lebensspanne des Protagonisten ab. Mit Blick auf die Gesamtgeschichte ein wahrlich tragisches Leben, gezeichnet von zahlreichen Schicksalsschlägen. Umso mehr wundert es einen, dass der Protagonist nie völlig in Verzweiflung zu versinken scheint sondern immer wieder aufsteht.
Mich hat das Buch sprachlich sehr beeindruckt, es hatte für mich aber auch mehrere Längen in denen sich der Autor in (aber immer wieder beeindruckend genau recherchierten) Details verliert. Das hat die Lektüre für mich gelegentlich
etwas zäh gemacht. Insgesamt handelt es sich hier aber um ein sprachgewaltiges Buch, das allen Sprachfetischisten sicherlich ans Herz zu legen ist.