'Seascraper' – Sinn und Sinnfinden

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löwenmäulchen25 Avatar

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Je kürzer, umso gehaltvoller ein Buch! Meine Erfahrung mit einigen Büchern in letzter Zeit.

Wie bringt der Autor Benjamin Wood ein ganzes Leben auf 222 Seiten auf Papier? Ein Leben, in dem sich scheinbar nicht viel tut, und doch sehr viel tut, und auf einmal noch viel mehr. Weil da plötzlich dieser Regisseur auftaucht, Edgar Acheson, wie er sich nennt.

Thomas Flett in Longferry, England in den 1960ern: Einem Küstenort, wo sich nicht viel bewegt, außer dem Nebel. Ein Krabbenfischer, der mit seinem Pferd und Netzen, am Ufer fischt. Eine harte Arbeit. Ein armseliges Leben. Und er ist noch der einzige, alle anderen fahren bereits mit Motorbooten hinaus. Doch Thomas Flett wurde von seinem 'Pop', dem Großvater, auf diese Arbeit trainiert. Was für eine andere Arbeit sonst könnte der Einundzwanzigjährige machen, der früh die Schule verlassen musste? Doch er singt und spielt Gitarre in seiner kargen Freizeit. Da ist seine 'Ma', und dazu fällt einem nur ein, diese Mutter missbraucht ihren Sohn für ihr verfehltes Leben. Einen Vater gibt es nicht. Die Mutter wurde mit fünfzehn von ihrem Lehrer geschwängert und macht nun ihren Sohn für ihr kaputtes Leben verantwortlich. Der Vater wurde von Pop zusammengeschlagen und in die Flucht getrieben.
Doch der Sohn, trotz seiner harten Arbeit, macht sich Gedanken, er ist verliebt in die ältere Schwester Joan seines Freundes Harry, traut sich jedoch nicht ihr das zu sagen (er nennt es höflich sein). Und er hat Sehnsüchte. Und dann tritt urplötzlich Edgar in sein Wohnzimmer. An einem Tag ändert sich sein Leben und am anderen Tag ändert es sich wieder …

Natürlich sind einige Szenen dabei, wo ein vernunftbegabter lesende Mensch sich fragt, warum hat 'er' die verdammten Fußnägel nicht geschnitten und warum lässt sich die Mutter so gehen und warum terrorisiert sie ihren Sohn so? Aber wenn ein schreibender Mensch es schafft nicht nur Sympathie für seine Charaktere zu erschaffen, sondern auch das Gegenteil, Ekel und Ablehnung, dann hat er oder sie alles richtig gemacht.

Mit den wenigen Szenen und den wenigen, im Roman auftretenden, Figuren, zaubert Wood eine Meeres- und Menschenlandschaft, wo der lesende Mensch zuerst denkt „oh, wie trostlos“. Doch die tiefgründigen Gedanken von Thomas Flett und die Ereignisse dieses einen, ersten, Tages bringen viel hervor. Und wie Thomas Flett hinterfragt man sich beim Lesen, was ist der Sinn des Lebens? Und wie weiter?
Und doch liegt viel Schönheit in Woods Worten und es liegt viel Hoffnung darin. Wie weiter?

Dazu auf Benjamin Woods website das Lied, was Thomas Flett singt...
http://www.benjaminwood.info/seascraper-by-thomas-flett.html