Verantwortungsgefühl und Leidenschaft

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karolina_hruskova Avatar

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Auf »Der Krabbenfischer« habe ich schon länger ein Auge geworfen, daher habe ich den Roman mit großen Erwartungen begonnen - und konnte ihn zum Schluss fast nicht mehr aus der Hand legen.

Der junge Thomas Flett lebt mit seiner Mutter in den 60er Jahren in ärmlichen Verhältnissen. Die Abwesenheit des Vaters ist allgegenwärtig und tief verankert in Thomas' Gedanken und Sein. Täglich fährt er stoisch und pflichtbewusst zum Krabbenfischen auf das Meer hinaus und aus diesem Pflichtbewusstsein heraus verheimlicht er auch seine eigentliche Leidenschaft, seinen Traum davon, Musiker zu werden. Sein Leben ist grau und trostlos, und das hat Benjamin Wood mit einer extremen Tiefe und düsteren, fast schon melancholisch Atmosphäre ergreifend umgesetzt. Vor allem durch Woods nüchternen Erzählstil, mit dem er dennoch eine einnehmende Lebendigkeit geschaffen hat, wird man als Leser:in direkt in das Geschehen und die Gedankenwelt einbezogen.

Als Thomas den Regisseur Edgar Acheson kennenlernt, fängt er an sich zu verändern. In der Freundschaft zu Edgar findet er Inspiration und den Mut, um seine Musik, die er in seinem Inneren bewahrt hat, auch nach außen zu tragen. Der keimenden Selbstbestimmung steht jedoch noch immer das Pflichtbewusstsein gegenüber, letztendlich ist er doch Krabbenfischer. Plötzlich steht Thomas vor einer Entscheidung, die er nicht treffen kann.

Der Roman spricht mit ruhiger Stimme über den Spagat zwischen Verantwortung und Leidenschaft, über das schmerzhafte Fehlen des Vaters und Loyalität zu einem Freund - auch wenn der sie möglicherweise gar nicht verdient hat.

Alles in einem sind meine Erwartungen erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen. Thematisch, stilistisch und atmosphärisch hat Benjamin Wood eine Roman geschaffen, der einen Moment perfekt eingefangen hat und damit noch lange im Gedächtnis bleibt.