Pötzsch-Blitz, das Werk ist eine wahre Wucht

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
redcat Avatar

Von

Herbst 1518: Sechs Jahre ist es her, dass Johann Georg Faustus mit seinem Gehilfen Karl Wagner und seiner mittlerweile 17-jährigen Tochter Greta aus den Katakomben von Nürnberg geflohen ist. Als Quacksalber und Astrologe ist Faustus sehr gefragt und zieht von Stadt zu Stadt. Doch es geht das Gerücht umher, dass Faustus das Geheimnis des „Stein der Weisen“ kennen würde. Auf dieses Wissen, wie man Gold herstellen kann, ist auch Papst Leo X., der finanziell am Ende ist und Machtansprüche bewahren möchte, erpicht. Es beginnt eine Jagd durch Deutschland und Frankreich, um Faustus nach Rom zu schaffen.
Gleichzeitig aber plagt Faustus eine unerklärliche Krankheit, die ihn lähmt. Ist diese Krankheit natürlicher Art oder steckt der Teufel dahinter? Er hofft, dass er Rat bei beim großen Meister Leonardo da Vinci bekommen könnte und reist nach Amboise (Frankreich). Auch wenn Leonardo keine Lösung für sein gesundheitliches Problem hat, gibt er ihm eine Botschaft mit auf den Weg, die in den Händen von falschen 'Wissern' fatale Folgen für die ganze Welt haben könnte.
Und nun trägt Faustus eine große Verantwortung mit sich......
Kommt es zu einem erneuten Deal mit dem Teufel, der in der Haut seines Widersachers und alten Lehrmeisters Tonio del Moravia steckt?

Ich muss gestehen, ich bin kein Freund von Nachwörtern. Aber dieses Nachwort hat mir außerordentlich gut gefallen, da es historische Gegebenheiten noch mal gut erklärt und aufgegriffen hat. Auch die Hinweise auf die historischen Schauplätze sind im sogenannten „Reiseführer“ super beschrieben, so dass man Lust bekommt, sich die ein oder andere Stätte anzuschauen oder aber zumindest mehr im Internet zu recherchieren. Kleine Übersichtskarten im Buch (vorne und hinten) veranschaulichen Johanns Reiseroute von Bamberg durch diverse französische Städte bis hin nach Rom, wobei Rom sogar eine eigene Karte gewidmet ist.
Oliver Pötzsch kann seine Befürchtungen, dass - wenn er es Goethe gleichtut - der zweite Teil „in die Hose gehen“ könnte, beiseite schieben. Auch der Nachfolgeroman „Der Lehrmeister“ ist – trotz gewisser Zähheit zwischendurch - wie der erste Teil „Der Spielmann“ ein absoluter Lesegenuss. Man wird richtig ins Mittelalter entführt und kann nachvollziehen, wie strapaziös das Reisen und das Leben zu der damaligen Zeit war.
Man merkt, dass in dem Buch viel Herzblut, Ehrgeiz und Motivation drin steckt. Es ist absolut gut recherchiert und die Protagonisten (fiktive und reale Personen [wie Papst Leo X., Agrippa, Leonardo da Vinci, Martin Luther, Kaiser Maximilian, Gilles de Rais etc.]) sind fantastisch ausgearbeitet.
Man braucht schon ein gewisses Händchen, Fiktion und Realität miteinander zu verweben, diesem Anspruch wird dieser Roman anstandslos gerecht. Nicht aufdringlich wird geschichtliches Wissen aber auch politische Fakten vermittelt. Auch eine kleine Liebesgeschichte dezent wird eingebaut.
Der Schreibstil ist spannend und mitreißend sowie flüssig zu lesen und hat auch seine mystischen und gruseligen Elemente. Regelmäßige 'Richtungswechsel' der Handlung erhöhen die Spannung und lassen Protagonisten in einem anderem Licht erscheinen als man vorher angenommen hat. Pötzsch ist halt für Überraschungen gut! Aufgrund der bildhaften und detaillierten Sprache bekommt man fantastisches Kopfkino geboten.
Und Freunde von Goethes Faust kommen hier gleichfalls auf ihre Kosten: Es finden sich immer wieder Anspielungen durch Textpassagen aus Faust I, die einem ein Schmunzeln oder 'Aha' ins Gesicht zaubern.

Nach dem Lesen habe ich mich gefragt, ob sich Oliver Pötzsch - entgegen seiner Aussage - dennoch wieder was einfallen lässt, damit diese Faust-Reise in die dritte Runde geht...
(Oder schafft er es, sich tatsächlich ganz von ihm zu verabschieden?)