Pfarrer Braun trifft Bullen von Tölz

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karschtl Avatar

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Nachdem ich Anfang des Jahres was vom „Lemming“, einem in Wien ermittelnden Ex-Polizisten, gelesen hatte, wurde mir bereits Thomas Raab mit dem „Metzger“ empfohlen. Daher war ich sehr froh, diese Leseprobe zu gewinnen und ihn endlich einmal auszuprobieren.

Der Metzger ist ein Restaurator in den besten Jahren, der seine Liebste bei ihrem Kuraufenthalt im Sonnenhof besucht. Zufällig werden während dieser Zeit 2 Leichen gefunden, plus ein abgetrennter Finger mit graviertem Goldring. Flugs machen sich sowohl der Metzger als auch seine Danjela daran, diesen Fall aufzuklären.
Da dies hier mein erster „Metzger“ ist, kenne ich die Vorgeschichte nicht. Es wird nur angedeutet, dass Fr. Danjela nicht ohne Grund auf Kur ist. Ich denke aber, man benötigt die Vorkenntnisse für dieses Buch nicht wirklich. Nur die Beschreibung/Vorstellung der beiden Hauptcharaktere kam etwas zu kurz, vielleicht weil das in den beiden vorherigen Bänden bereits abgehandelt worden ist?

Der Fall erinnert mich ziemlich stark an Geschichten ála ‚Pfarrer Braun trifft den Bullen von Tölz‘. Wahrscheinlich sieht der etwas dickliche Metzger dem Pfarrer bzw. Bullen auch etwas ähnlich. Das ländliche Milieu birgt ja, trotz seiner ‚Ruhe‘, immer wieder Überraschungen und Stoff für gute Krimis. Hier verläuft die Sache etwas zäh, besonders zum Anfang musste ich mich doch etwas anstrengen um nicht die Lust am Lesen zu verlieren.

Dazu führte aber wahrscheinlich nicht allein die Story, sondern vielmehr auch der sehr gewöhnungsbedürftige Sprachstil. Thomas Raab benutzt sehr gern komisch formulierte Sätze oder teilweise auch nur Satzfragmente, was insgesamt nicht gerade für ein flüssiges Lesen fördert.

Zudem gibt es verschiedene Erzählebenen im Buch: die normale 3.-Person Perspektive, die Dialoge zwischen Anton und Ernst, wobei man eine Weile braucht um rauszufinden wer die beiden eigentlich sind, und dann noch die wie Tagebucheinträge wirkenden Abschnitte eines 1.-Person-Erzählers. Auch hier ist es für die Hälfte des Buches nicht klar, um welche Person es sich handelt. Dadurch muss man im eingangs besonders gut aufpassen, und hat meist dennoch im zweiten Teil – wenn klar ist, um wen es geht - einige wichtige Sachen vergessen oder überlesen, da man noch nicht wusste, auf was man achten sollte. Aber man kann ja zurückblättern.
Als sich die Story um die Familie Hirzinger/Friedman in den letzten 100 Seiten dann immer mehr verdichtete, man zusammen mit dem Metzger immer mehr Einzelheiten erfuhr, macht es auch Spaß mit zu raten, wer denn nun wen und warum ermordet hat.
Das einzige, was mich abschließend gewundert hat: man hat während des Buches überhaupt nicht mitbekommen, ob auch die hiesige Polizei an dem Fall ermittelt hat. Dabei wäre das nur logisch, denn beide Todesfälle von vornherein als Unfall abzutun kann ich mir kaum vorstellen. Aber das hat Raab vollkommen ausgeblendet und man erfährt eigentlich noch nicht einmal am Rande von irgendwelchen Untersuchungen.

Raab ist ein österreichischer Autor, demnach würde ich annehmen, dass auch die Story in Österreich spielt. Direkte Hinweise darauf gibt es im Buch aber keine, Ortschaften werden nicht beim Namen genannt und auch die Sprache ist nicht ausgeprägt österreichisch. Wahrscheinlich hat der Autor im Hinblick auf die Vermarktbarkeit in anderen deutschsprachigen Ländern und Gegenden versucht, das Ganze so neutral wie möglich zu schreiben. Ist ihm gelungen. Worauf sich allerdings das "fremd gehen" im Buchtitel bezieht ist mir nicht vollständig klar geworden. Es gab einmal einen kleinen Absatz, in dem er seine Danjela nach diversen Schönheitsbehandlungen kaum erkannt hätte und sie meinte, viele Männer gehen mit der eigenen Frau fremd. Aber das wird es doch nicht gewesen sein?

Mein persönliches Fazit lautet: Ich empfehle dieses Buch jedem, der an etwas beschaulicheren und humorvollen Krimis interessiert ist (im Unterschied zu US-amerikanischen Thrillern), und gern auch seine eigenen Theorien über die möglichen Übeltäter anstellen möchte. Und die gewillt sind, sich auf den etwas anderen Schreibstil von Hr. Raab einzulassen.