Geheimnis der Vergangenheit

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matheelfe Avatar

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Es ist London im Jahre 1920. Die Stargeigerin Helen Carter wartet auf den Konzertbeginn, als eine alte Dame bei ihr erscheint. Plötzlich erinnert sich Helen an längst vergangene Zeiten. Panikartig verlässt sie das Konzerthaus. Sie hört nur noch die Bremsen des Busses.
Lilly betreibt in Berlin einen Antiquitätenhandel. Über den Jahreswechsel hat sie ihre Inventur gemacht. Seit dem Tode von Peter, ihrem Mann, hat sie sich zurückgezogen. Sie will den Laden gerade schließen, als ein älterer Herr erscheint. Er bietet ihr eine Geige an und behauptet, dass sie ihr gehört. Im Geigenkasten liegt außerdem ein Notenblatt. Als Lilly sich dieses näher ansieht, nutzt der Mann die Gelegenheit, um zu verschwinden.
Lilly wendet sich an ihre beste Freundin Ellen. Sie lebt mit ihrem Mann in London und ist Experte für die Restaurierung von Musikinstrumenten. Kurz entschlossen fliegt sie nach London. Auf den Flug lernt sie Gabriel Thornton kennen, den Leiter einer Musikschule in London. Mit Hilfe von Ellen und Gabriel erfährt Lilly, dass die Geige einst Rose Gallway, danach Helen Carter gehörte. Keiner aber weiß, was aus Rose geworden ist und wie die Geige zu Helen kam.
Die Autorin hat mich auf eine interessante historische Reise mitgenommen, die über London und Cremona in Italien bis nach Padang auf Sumatra führte. Schritt für Schritt enthüllt sich das Geheimnis der zwei Frauen und der Geige. Der behutsame Erzählstil des Buches, die exakte Beschreibung von Landschaft und Natur, die poetische Darlegung der Wirkung der Musik machen das Buch zu einem Lesevergnügen. Wenn die Autorin die Gärten und die Blumen auf Sumatra beschreibt, haben ich den Eindruck, als male sie mit Worten ein wunderschönes Bild. Selbst die ernsten Themen, wie die Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung durch die Niederländer, werden nicht laut und schrill, sondern leise und eindringlich dargestellt.
Dabei bedient sich die Autorin mehrere Handlungsstränge. Zum einen darf ich die Nachforschungen in der Gegenwart verfolgen, zum anderen erfahre ich von Roses Auftritten in Sumatra im Jahre 1902. Später verschiebt sich der historische Abschnitt in das Jahr 1910. Da greift Helen aktiv in das Geschehen ein.
Am Beispiel von Rose wird deutlich herausgearbeitet, dass ihre Kunst Opfer im Privatleben verlangten. Talent allein genügt nicht. Rose spürte Bilder in der Musik und konnte sie mit der Geige malen. Diese Fähigkeit verlor sich nach einem einschneidenden Erlebnis. Damit war ihr Spiel nicht mehr Kunst, sondern nur noch Routine.
Roses Mutter stammte aus dem Volk der Minangkabau. Dort galt das Matriarchat. Aus Liebe zu einem Engländer, der sie geheiratet hat, weigerte sich Roses Mutter, ihren Platz als Stammmutter einzunehmen.
In der Gegenwart finde Lilly durch die Nachforschungen neuen Lebensmut. Sie öffnet sich zunehmend ihrer Umgebung und ist für die behutsame Werbung eines Mannes empfänglich. Immer passt der Stil zum Inhalt.
Erst ganz zum Schluss wird das Geheimnis völlig gelüftet. Die Überraschung ist perfekt.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es bezieht seine Spannung aus den Gegensätzen von Gegenwart und Vergangenheit, von Realität und Exotik. Die Autorin versteht es ausgezeichnet, mit Worten zu spielen. Ihre Protagonisten sind Menschen mit stärken und Schwächen. Sie werden sehr gut charakterisiert und stehen sofort vor Augen.
Das Cover ist ein Hingucker. Im Mittelpunkt ist ein Gartenausschnitt zusehen, der von dunklem Blau und blühenden Zweigen eingerahmt wird. Diese Blüten finden ihre Fortsetzung auf dem Schnitt des Buches. Der kleine rote Vogel über den Titel findet sich zweifach in Schwarz als Umrahmung der Kapitelnummern wieder.