eine tragische Geschichte, eher Roman als Krimi

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mrs-lucky Avatar

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Karin Fossums Kriminalroman „Der Nachtläufer“ hat mich positiv überrascht, denn er hebt sich deutlich ab von der Masse anderer skandinavischer Krimis, unteranderem weil hier weniger die Auflösung der Straftat im Vordergrund steht als vielmehr die psychologische Entwicklung der Hauptfigur.
Im MIttelpunkt der Geschichte steht der junge Meidel Jonsson, der nach dem Tod seines Großvaters den Halt im Leben zu verlieren droht. Er fürchtet die Rückkehr seines dominanten und gewalttätigen Vaters, der in 30 Tagen aus der Haft entlassen wird. Ein Revolver, den Meidel in einem Versteck im Haus seines Großvaters findet, vermittelt ihm das Gefühl von Stärke und Überlegenheit.
Angst kommt auch auf in der norwegischen Kleinstadt, in der in den warmen Augustnächten der sogenannte Nachtläufer unbemerkt in Häuser eindringt und die Schlafenden mit vorgehaltener Waffe bedroht. Wann schlägt er wieder zu? Wer wird davon kommen und wer ihm zum Opfer fallen? Kommissar Eddie Feber steht vor schwierigen Ermittlungen, denn es gibt kaum Spuren, abgesehen von kleinen Zetteln mit rätselhaften Ziffernfolgen, die der Täter gezielt zurück lässt.
Die Geschichte vermittelt mit seinem literarischen Stil eher den Eindruck eines Romans mit Krimi-Elementen. Mir gefällt dieser Fokus auf die persönliche Entwicklung des Hauptcharakters, Meidel ist eine tragische Figur, bei der sich die Frage stellt, ob er mehr Täter ist oder mehr Opfer.
Eddie Feber entspricht so gar nicht dem Klischee des depressiven, mit Problemen behafteten Ermittler, den man in vielen skandinavischen Krimis antrifft. Er ist intelligent, überrascht mit ungewöhnlichen Ermittlungsansätzen und ist nebenbei glücklicher Familienvater von 8 Kindern. Hier wird der ansonsten überzeugende Roman etwas unglaubwürdig. Auch wenn ein derart entspannt auftretender Kriminalkommissar eine erfrischende Abwechslung darstellt, habe ich seine private Seite als etwas zu rosarot dargestellt empfunden, Eddie Feber wird in meinen Augen zu sehr zu einem übernatürlichen Superhelden stilisiert, dem keine Herausforderung etwas anhaben kann. Aber vielleicht tue ich ihm auch Unrecht, und in einem der weiteren Bände darf er auch mal Schwächen zeigen, ich werde an der Reihe ganz sicher dran bleiben.