Der Nachtzirkus

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Der _Cirque des rêves_ erscheint ohne Vorankündigung. Irgendwann ist er einfach da und die Kunde über seine Anwesenheit verbreitet sich durch Mundpropaganda rasend schnell in der gesamten Umgebung. Denn nicht nur das überraschende Erscheinen des Zirkus erweckt die Neugier, sondern auch die Tatsache, dass er nur und ausschließlich Nachts seine Pforten für Besucher öffnet.

Schon allein mit diesem Prolog wird der Leser direkt in eine Atmosphäre voller Geheimnisse und Magie gezogen, denn die Autorin hat einen wirklich schönen Schreibstil, der nicht ermüdend detailiert, aber dennoch anziehend und beschreibend ist, und der einen schon gleich zu Anfang begeistert. Dadurch, dass man als Leser direkt angesprochen wird, identifiziert man sich direkt mit der Situation.

Dann geht es weiter mit der eigentlichen Geschichte. Der Zauberer Prospero, der eigentlich Hector Bowen heißt und in besagtem Zirkus auftritt, um die Menschen mit seiner Magie zu unterhalten - allerdings ohne, dass diese mitbekommen, dass es _wahre_ Magie ist, die er vollbringt - bekommt ein sehr spezielles "Päckchen": ein 6-jähriges Mädchen, das er aufgrund eindeutiger Ähnlichkeiten zu ihm selbst gleich als seine Tochter identifiziert. Das Kind heißt Celia und wurde von ihrer Mutter zu ihm geschickt. Diese war der Meinng, dass Celia ein Kind des Teufels sei. Und warum? Weil um das Mädchen herum seltsame Dinge geschehen. Offensichtlich hat sie die gleiche Begabung wie ihr Vater und aus diesem Grund nimmt er sie bei sich auf, um sie auszubilden.

Als er nach einem halben Jahr der Meinung ist, dass Celia bereit ist, lädt er einen alten Bekannten ein. Alexander hat selbst magische Fähigkeiten. Im Gegensatz zu Hector allerdings sieht er es als unter seiner Würde an damit kein ignorantes Publikum zu unterhalten. Trotzdem besucht er Hectors Vorstellung und wird an deren Ende von diesem prompt zu einer Wette herausgefordert. Beide bilden jeweils ein Kind mit magischem Talent aus und lassen beide dann gegeneinander antreten. Auf Leben und Tod. Hector ist der festen Überzeugung, dass Celia gewinnen wird, weshalb er tatsächlich bereit ist, seine eigene Tochter ins Rennen zu schicken. Alexander hat noch keinen geeigneten Kandidaten, geht aber trotzdem auf das Spiel ein und findet auch zeitnah einen Jungen im Waisenhaus, den er ins Rennen schicken will.

Weiter geht es mit der Ausbildung der beiden, die in zwei parallelen Handlunssträngen erzählt wird. Dabei wird überdeutlich, dass die beiden Kinder keine liebevolle Erziehung und fördernden Unterricht bekommen, sondern nur erbarmungsloses Training erhalten. Keins der Kinder weiß, was auf sie zukommt. Nur, dass sie ihre Zauberfähigkeiten ausbilden müssen, das ist ihnen klar. Vor allem Celia wird von ihrem Vater gewaltig unter Druck gesetzt; an ihr interessiert ihn lediglich ihre Magie, die Person ist ihm völlig egal. Doch auch Alexanders Kandidat wird zum großen Teil sich selbst überlassen und wächst, abgesehen von den Übungsstunden, abgeschottet und völlig mit sich alleine auf.

Die Behandlung der beiden Kinder hat mich wirklich schockiert. Diese Behandlung erinnert eher an das Training von Zirkustieren und nicht an Kindererziehung. Diese Parallele ist zwar mit großer Sicherheit beabsichtigt, hat mich aber dennoch sehr berührt. Beide Kinder tun mir unheimlich leid und hier endet die Leseprobe auch ziemlich plötzlich, sodass man mit diesem aufwühlenden Eindruck zurückbleibt und nicht weiß, wie es weitergeht. Die Geschichte an sich finde ich unheimlich interessant und spannend. Wie werden die Handlungsstränge zusammengefügt? Wie entwickeln sich die Kinder und vor allem die im Klapptext erwähnte Liebesgeschichte zwischen ihnen? Dieser Auftakt hat das Potential zu einer geheimnisvollen, magischen, spannenden und aufwühlenden Story; alle Zutaten zu einem besonderen Leseerlebnis sind also vorhanden. Ich bin gespannt, wie die Autorin sie zusammengemischt hat.