Der Nachtzirkus oder mit Magie sollte man nicht spielen

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Er kommt ohne Ankündigung und hat nur bei Nacht geöffnet: der Cirque des Rêves, der Zirkus der Träume. Um ein geheimnisvolles Freudenfeuer herum scharen sich fantastische Zelte, jedes eine Welt für sich, einzigartig und nie gesehen. Doch hinter den Kulissen findet der unerbittliche Wettbewerb zweier verfeindeter Magier statt. Sie bereiten ihre Kinder darauf vor, zu vollenden, was sie selber nie geschafft haben: den Kampf auf Leben und Tod zu entscheiden. Doch als Celia und Marco einander schliesslich begegnen geschieht, was nicht vorgesehen war: sie verlieben sich rettungslos ineinander. Von ihren Vätern unlösbar an den Zirkus und ihren tödlichen Wettstreit gebunden, ringen sie verzweifelt um ihre Liebe, ihr Leben und eine traumhafte Welt, die für immer unterzugehen droht. (So jedenfalls die Inhaltsangabe gemäss Klappentext, welche auch nicht wirklich so stimmt.)

Wenn man den Prolog des Buches liest - welcher meiner Meinung nach fast das Beste am ganzen Buch ist, mit einigen Ausnahmen jedoch - geht man als Leser voller Erwartungen an die Geschichte heran. Der Prolog spricht den Leser direkt an, ist in einer wunderbaren, fast poetischen Sprache verfasst und zieht den Leser direkt in den Cirque des Rêves hinein mit seinen schwarz-weissen Zelten, den Düften, der Atmosphäre etc.

Dann jedoch beginnt die eigentliche Geschichte um dieses "Spiel", welches sich die beiden Magier Hector Bowen (Prospero) und Alexander H. vor einer Ewigkeit ausgedacht haben. Nur dieses Mal sind ihre "Lehrlinge", jedenfalls in Hectors Fall, das eigene Kind (Celia) und Alexander holt seinen Lehrling aus einem Waisenhaus (Marco). Dann zieht sich ihre Ausbildung über die nächsten 10-12 Jahre dahin bis beide im Teenager-Alter sind. Erst dann entsteht der Nachtzirkus. Danach plätschert die Geschichte wieder ca. 15-20 Jahre dahin, bis endlich mal so etwas wie eine "Liebesgeschichte" überhaupt beginnt und die stellt sich dann als ziemlich kitschig heraus.

Wirklich schön an der Geschichte fand ich die Beschreibungen der Attraktionen, welche Marco und Celia aufgrund des "Spiels" entstehen lassen, die waren auch immer in einem poetischen Stil verfasst. Es gab auch schöne Beschreibungen über die verschiedenen Kleidungsstücke und die Speisen bei den sogenannten Mitternachts-/Zirkusdinner. Leider hatte man aber dabei auch wiederum das Gefühl, dass man eher ein Drehbuch lesen würde.

Was die Personen anbelangt, die meisten wurden als schön, attraktiv, gutaussehend etc. bezeichnet, was das Ganze ziemlich trivial machte. Die Figuren fand ich auf eine Art einfach zu flach. Wenn sie nicht gerade zu Statisten degradiert wurden, wurden sie einfach die ganze Zeit manipuliert (Chandresh), waren sie entweder einfach nur grausam (Hector), gleichgültig (Alexander) oder man liess sie einfach sterben. Ich hätte es schön gefunden, wenn man mehr über das Vorleben von Hector und Alexander efahren hätte. Warum machen sie dieses "Spiel" überhaupt? Die beiden müssen nämlich auch ziemlich alt sein - die Figuren rund um den Zirkus wurden ab der Eröffnung sowieso nicht mehr älter - mehrere Jahrhunderte womöglich. Auch das Vorleben Marcos wäre interessant gewesen, warum war er im Waisenhaus? Vorgeschichten hätten den Figuren einfach mehr Tiefe gegeben und man hätte sich besser in sie hineinfühlen und ihre Taten nachvollziehen können.

Für mich war die Hauptfigur des Romans auch eher der Zirkus und nicht Marco und Celia, welche ihren "Vätern" auf eine Art auch ziemlich ähnlich sind. Die einzigen Figuren, welche noch eine Tiefe besassen, waren die Personen der zweiten "Generation" Bailey, Poppet und Widget. Die Kapitel über diese drei Figuren waren auch meistens interessanter zu lesen.

Fazit: Nach dem Prolog hatte ich grosse Erwartungen an die Geschichte, vielleicht zu grosse. Die Geschichte, welche immerhin in einem Zeitraum von gut dreissig Jahren spielt, plätscherte mehrheitlich dahin, ohne dass wirklich etwas passierte, was ich auch nicht wirklich schlimm fand, da ich die poetischen Teile über den Nachtzirkus selber ja sehr schön fand, nur kam die Eröffnung desselben erst nach gut 100 Seiten. Aber die Geschichte um das "Spiel" und die vermeintlichen beiden Hauptpersonen fand ich einfach zu trivial und fast schon kitschig. Ich hätte einfach überhaupt mehrere Hauptpersonen und nicht bloss zwei gewünscht und Charaktere mit mehr psychologischer Tiefe erwartet, über die man auch erfährt, was sie eigentlich antreibt.