Der namenlose Tag

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lale1972 Avatar

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Dieses Buch ist auf einem seltsamen Weg zu mir gekommen, durch einen Zufall bekam ich es anstelle eines anderen Buchs zugeschickt, also nahm ich mir auch die Zeit und las es, obwohl mich der Klappentext nicht sonderlich ansprach.
Das Cover finde ich sehr gelungen, alles Schall und Rauch, "Der namenlose Tag". Jakob Franck, seit zwei Monaten im Ruhestand, war sein Leben lang Ermittler bei der Polizei und hofft nun auf eine Leben ohne die Toten, aber sie lassen ihn nicht los. Sie sitzen bei ihm in der Wohnung und unterhalten sich miteinander. Schon etwas skurril.
Aber eines Tages steht Ludwig Winther bei ihm in der Tür und will, dass er den Mörder seiner Tochter findet. Esther, damals 17, hat sich vor 21 Jahren erhängt. Er war bei dem Fall nicht Ermittler, sondern nur Überbringer der Todesnachricht. Nun kniet er sich noch einmal in den Fall hinein und entdeckt tatsächlich Ungereimtheiten, forscht weiter.
Jakob Franck ist ein sehr merkwürdiger Mann. Alleine wohnt er, seit seine Frau sich vor 20 Jahren hat scheiden lassen, und irgendwie ist ihm der Rest der Welt auch zu laut. Daheim in seinem Arbeitszimmer, das nie ein Kinderzimmer geworden ist, wie der immer wieder denkt, fühlt er sich am wohlsten. Aber er ist auch ein sehr unruhiger Typ, nicht, dass er nicht zuhören kann, das kann er sehr gut und er bekommt die Leute auch zum Erzählen, er läuft viel auf und ab, denkt hin und her.
In "Der namenlose Tag" erzählt Friedrich Ani literarisch sehr anspruchsvoll, wie Jakob Franck mit den Menschen umgeht und wie er auf die Menschen einwirkt. Auch wie die Menschen, mit denen er zu tun hat, auf ihn einwirken und ihn und seine Sichtweise verändern.
Das Buch ist wie eine Studie des menschlichen Wesens oder besser gesagt, zeigt es Schritt für Schritt, wie der Ermittler die Menschen und ihre tiefen Untergründe versucht zu ergründen. Wer weiß etwas, wer lügt, wer schweigt, warum? So verbinden sich viele kleine Geschichten zu einer großen und ganzen Geschichte, zu seiner Geschichte, er sucht nicht nur Fakten und Tatsachen, er sucht auch nach den Gründen und Gefühlen und lässt sich von ihnen leiten bei seinen Ermittlungen, dazu nutzt er auch seine eigene Methode, die Gedankenfühligkeit.
Wer hier einen spannenden Krimi / Thriller erwartet mit ein paar Leichen im Laufe der Geschichte und großem Spannungsbogen, wird wahrscheinlich enttäuscht. Wer aber ein literarisch wirklich gut geschriebenes Buch mit einem Ermittler sucht, der den Tiefen der menschlichen Seele auf den Grund geht, der wird hier glückliche Lesestunden verbringen. Ich war einer von ihnen.