Opulenter überzeugender historischer Roman!

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marionhh Avatar

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Rom, 1492: Die Stadt hat einen neuen Papst! Der Spanier Rodrigo Borgia besteigt als Alexander VI. den Stuhl des obersten Hirten der Christenheit. Dem ging eine lange Zeit von Intrigen und Bestechungen voraus, dass er Ausländer ist und mehrere Kinder hat, spricht nicht gerade für ihn. Nun jedoch bricht für die Familie Borgia eine neue Zeit an. Durch geschickte Heiratspolitik, Skrupellosigkeit und politisches Kalkül baut Alexander seine Macht aus und festigt sie. Wenn ein Schwiegersohn oder ein politischer Verbündeter zu mächtig oder überflüssig wird, beseitigt er sie. Tatkräftig unterstützt wird er hierbei durch seinen ältesten Sohn Cesare, der zunächst als Kardinal, später als Feldherr bald gehasst und gefürchtet ist.
All seine Kinder, vor allem jedoch seine einzige Tochter Lucrezia, benutzt der Papst, um politische Bündnisse zu schmieden und Feinde ruhig zu stellen, indem er sie günstig verheiratet. In politische oder geistliche Ämter setzt er bevorzugt ihm zugeneigte Männer ein. Die Familienpolitik trägt durchaus mafiöse Züge. Und wenn alles nichts hilft, führt er auch Krieg, um den Kirchenstaat zu vergrößern und seinen Machthunger zu stillen. Da ist es kein Wunder, dass immer einmal Rebellionen gegen seine Herrschaft angezettelt werden, und auch vor Mord schrecken seine Feinde nicht zurück...

Farbenprächtiger, atmosphärisch dichter und praller historischer Roman über eine aufregende Zeit und eine spannende Familie. Der Roman liest sich nicht so einfach, fesselt aber durch seinen guten anspruchsvollen Schreibstil und seine Schlag auf Schlag folgenden Ereignisse. Die Autorin hat hervorragende Kenntnisse des historischen Hintergrundes und großartig recherchiert und sie bringt dem Leser die Figuren so nah, dass sie real und menschlich werden. So lebt man besonders mit Lucrezia mit, die sich gegen die Verschacherung ihrer Person auf dem Heiratsmarkt am allerwenigsten wehren kann und anfangs alles demütig hinnimmt. Ihre Bewunderung und Liebe zu ihrer Familie ist so groß, dass sie deren Methoden nicht hintfragt. Erstaunlicherweise ist sie ihren Ehemännern durchaus zugetan oder bemüht sich zumindest ihre Pflichten zu erfüllen, die sie sehr ernst nimmt. Zudem ist sie ihrer Rolle gemäß eine fromme, keusche und folgsame Tochter. Sie wandelt sich jedoch vom 12jährigen Kind zu einer selbstbwussten jungen Frau, die nach einigen furchtbaren Ereignissen ihre Augen nicht mehr vor der Grausamkeit besonders ihres Bruders Cesare verschließen kann und eigenständig handelt, auch wenn dies ihrem Vater und Bruder nicht gefällt.

Cesare ist im Übrigen einer der interessantesten Charaktere im Buch. Einerseits skrupellos, grausam, ohne Gewissen, setzt er seine Interessen und die der Familie vor allem anderen. Er ist krankhaft ehrgeizig und braucht permament Bestätigung und Bewunderung. Andererseits verteidigt er die Familienehre wie kein anderer und tut alles, um Macht und Erfolg zu erhalten. Besonders liebt er Lucrezia, er tut alles für sie und würde ihr kein Haar krümmen, allerdings ist diese Liebe schon recht ungesund. Als sie sich dessen bewusst wird, geht sie auf Abstand. Ihr Ruf ist zwar sowieso schon schlecht, doch will sie nicht noch Öl ins Feuer gießen. Aber auch die anderen Charaktere im Buch sind hervorragend herausgearbeitet und vielschichtig, durch das Erzählen aus verschiedenen Perspektiven gewinnen die Figuren Struktur und geben tiefe Einblicke in ihr Innenleben. Dies wirkt so authentisch, dass man überzeugt ist, so kann es tatsächlich gewesen sein. Selbst Nebenfiguren wie die Mutter der Borgia-Kinder, Vanozza, oder Michelotto, sind vielschichtig und nie nur gut oder nur böse. Und einer Nebenfigur, dem Zeremonienmeister Johannes Burchard, verdanken wir besonders intime Einblicke in das Innere des Vatikans und die Gefühlswelt des Papstes, der penible Deutsche arbeitet mehr als 10 Jahre für die Borgias und zeichnet alles akribisch in einem geheimen Tagebuch auf...

Formal ist der Roman in 10 Teile unterteilt mit sehr passenden Überschriften, die einzelnen Kapitel verlaufen fortlaufend, die Geschichte vollzieht sich chronologisch. Dem Ganzen vorangestellt sind sehr hilfreiche Stammbäume der wichtigsten Familien Italiens, um die Heiratspolotik zu verdeutlichen, sowie eine Karte Italiens im 15. Jahrhundert und eine Vorbemerkung. Als Schmankerl gibt es noch eine Nachbemerkung der Autorin zu ihrer Recherchearbeit sowie eine ausführliche Bibliografie.

Fazit: Großartiger historischer Roman über eine Familie, über die schon viel geschrieben und spekuliert wurde, die polarisiert und zu der es immer wieder neue Forschungsergebnisse gibt. Fesselnd, packend, aufwühlend. Der Schluss schreit nach einer Fortsetzung und diese wird zum Glück auch im Nachwort angekündigt. Für alle Geschichtsintessierten ein absolutes Muss, und es sei auch allen denenigen, die etwas über eine aufregende Zeit erfahren wollen, dringend empfohlen!