Ein Schätzchen

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aennie Avatar

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Lord und Lady McIntosh leben auf einem abgeschiedenen Landsitz in Schottland. Das einsame Tal beherbergt außer den beiden eine Handvoll Tiere, darunter eine mittlerweile stattliche Pfauenkolonie, eine eigenwillige Gans, treue Hunde und nicht minder ergebene helfende Hände in Gestalt von Haushälterin Aileen und Mann für alle Fälle Ryszard. Neben dem Herrensitz befinden sich noch weitere kleine Cottages und die McIntoshs vermieten diese und den Westflügel des Hauptgebäudes an interessierte Feriengäste, die Ruhe, Abgeschiedenheit und Natur suchen und sich nicht an den kalten, schlecht heizbaren Räumen und ein wenig Gänsedreck vor der Tür stören .
Leider entwickelt einer der jungen Pfauen im Zuge seiner Entwicklung eine kleine Verhaltensauffälligkeit. Alles was blau ist, muss attackiert werden, sieht er als Konkurrent in der Balz - Autos, Plastiktüten, Spielzeug, nichts hält ihn davon ab. Dies bringt die McIntoshs in so manche verzwickte Situation und in Erklärungsnot. Diese Situation dient im Roman "Der Pfau" als Ausgangspunkt. Im weiteren Verlauf werden die Geschehnisse und Verwicklungen geschildert, die eintreten, als eine Gruppe Banker nebst Psychologin und Köchin zu einer Teambuilding-Maßnahme im Tal eintrifft. Was folgt, ist zum Einen eine herrlich skurrile Geschichte, ausgehend von der Tatsache, dass Chefin Liz ausgerechnet einen blauen Wagen fährt, was den Lord letztendlich dazu zwingt, eine schwere Entscheidung zu treffen und tätig zu werden – mit der Schrotflinte. Doch da hat er nicht bedacht, dass Mervyn, der Setter der Bank-Chefin ein feines Näschen und Helen, die mitangereiste Köchin ein Händchen für Geflügelcurry hat. Mit immer neuen Wendungen, getragen von dem jeweiligen Kenntnisstand bzw. Unkenntnisstand der verschiedenen Personen spielt sich ein herrliches „Drama“ ab, gipfelnd im letzten Abend der Gruppe in den Highlands, mit einem herrlichen Gericht aus Geflügel und einer verschwundenen Gans. Wunderbar, das Kapitel, in dem die Autorin zusammenstellt, wer was weiß und was denkt. Und der einzige der sicher über den Verbleib und die Identität der Federviecher sein kann, ist Mervyn… .
Zum Anderen zeichnet die Autorin ein für mich treffendes Soziogramm der Personengruppe. Wer mit Arbeitsgruppen schon einmal gearbeitet hat, wird so unglaublich vieles wiedererkennen: die Gruppendynamik, die Rollenverteilung, die Animositäten, Allianzen und Konfrontationen - das ist sehr gut beobachtet und noch besser in eine gute Geschichte umgesetzt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Geisteswissenschaftler offensichtlich ähnlich gestrickt sind wie Finanzfachleute. Das Fachgebiet ist nicht entscheidend sondern die Zusammensetzung der Gruppe. Insgesamt tragen dazu auch die anderen Figuren des Romans bei, z.B. der Lord himself, den man als Altphilologe mal besser nicht mit Strom hantieren lässt... Ich seh ihn vor mir.
Fazit: ein rundum gelungenes, unterhaltsames, sprachlich und inhaltlich hoch qualitatives Buch, dass ich sicher nach einiger Zeit ein zweites Mal zur Hand nehmen werde. Die Sprache und der Stil, der feine Humor der Autorin haben mir sehr gut gefallen, absolut flüssig lesbar und unterhaltsam, obwohl man beim Lesen merkt, dass hier ein Stückchen jenseits der Trivial-Belletristik gespielt wird.