Spionagethriller im Kunstmileu

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marionhh Avatar

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Am Comer See wird der Kunsthehler Jack Bradshaw brutal ermordet aufgefunden – ausgerechnet von Julian Isherwood, Kunstkenner und guter Freund und Helfer des israelischen Spions Gabriel Allon. Anscheinend war Bradshaw im Besitz des seit Jahrzehnten verschollenen Gemäldes „Christi Geburt“ von Caravaggio. Das Gemälde jedoch ist weiterhin unauffindbar. Allon lässt sich vom zuständigen Chef des Kunstdezernats überreden, den Fall zu übernehmen, um Isherwoods guten Ruf zu schützen und ihn aus den Mühlen der italienischen Justiz zu befreien. Mit nicht ganz legalen Methoden, nämlich den Raub von van Goghs berühmten „Sonnenblumen“ aus dem Amsterdamer Rijksmuseum, dringen Allon und sein Team tief in den Schwarzmarkt der Kunstszene ein, in dem steinreiche Käufer aus verschiedenen Gründen unbezahlbare Kunstwerke zu einem Bruchteil des eigentlichen Wertes erwerben. Auf verschlungenen Wegen findet Allon schließlich heraus, wer der Interessent des Caravaggios ist – und gerät damit tief in die Abgründe der aktuellen Nahostpolitik.

Der 14. Band um den israelischen Spion und Restaurator Gabriel Allon ist ein solider und spannender Thriller in bewährter Manier. Wer die anderen Bände (oder zumindest einige von ihnen) kennt, hat meines Erachtens einen kleinen Vorteil, denn die private Geschichte um Allon und seiner Weggefährten und Frauen wird fortlaufend weitergeführt. Dennoch ist der Band auch für Einsteiger in die Reihe geeignet, und Liebhaber klassischer Spionagethriller kommen voll auf ihre Kosten. Der Autor erklärt Allons Vergangenheit teilweise in Rückblenden, wenn es dem Verständnis dient. Für Kenner der Reihe mag er sich hier wiederholen, ich als Einsteiger fand es hilfreich.

Formal gliedert sich der Band in fünf Teile, überschrieben mit Begriffen aus der Kunstwelt, die gut zum Inhalt des jeweiligen Teils passen. Einzig der vierte Teil „Punkten“ vermochte mich nicht zu überzeugen, hier konnte ich zum Titel keinen Zusammenhang entdecken, was aber auch möglicherweise an meinen mangelnden Kunstverstand liegt. Die Kapitelzählung und die Handlung erfolgen beide chronologisch und werden flüssig und mitunter in eher flapsig-lockerem Stil erzählt.

Beginnt der Thriller zunächst wie ein klassischer Krimi, nämlich mit einem Mord und der Frage, wer es getan hat, wird er schnell zum typischen Spionageroman mit den klassischen Elementen wie hochintelligente Topagenten, geheime Abhörmethoden, Hacker, die schlichtweg in jede Datenbank hineinkommen, Reisen quer durch Europa, natürlich Business Class, und einiges mehr. Am Interessantesten fand ich die Verknüpfung der Welt der Spione mit dem uns doch weitgehend unbekannte Terrain der Kunst und ihrem Schwarzmarkt, in welchem für reiche Sammler Bilder von berühmten Malern gestohlen werden, die dann in irgendwelchen Salons hängen. Bestens verkörpert wird diese Kombination durch den Restaurator und Topspion Gabriel Allon, bei weitem der interessanteste Charakter der Geschichte. Sowohl als Restaurator als auch als Spion ein Meister seines Fachs, vermag er nicht nur Gemälde berühmter Künstler so zu fälschen, dass nicht mal Fachleute den Unterschied erkennen, er ist zudem der perfekte Stratege und Planer bei seinen Unternehmen, die er ganz auf das Wohl des israelischen Staates ausrichtet. Ein bisschen widersprüchlich könnte im vorliegenden Fall die eher private Motivation zur Übernahme des Falles– er will Isherwood helfen – und die offizielle Zuhilfenahme des „Dienstes“, also des israelischen Geheimdienstes, sein, obwohl dieser hier eigentlich zunächst einmal nichts mit zu tun hat. Doch je mehr Hintergründe ans Licht kommen, desto plausibler wird dies.

Arbeitet Allon selbst auch mit ehemaligen Gegnern, Verbrechern, Dieben, Hehlern, Mafiosi und anderen zwielichtigen Gestalten zusammen, die er aus früheren Unternehmungen kennt, benutzt er durchaus auch ohne zu zögern unlautere Methoden wie Diebstahl, Verfolgung, Drohung, Erpressung und hat er auch schon Menschenleben getötet, Kriege, Terror, Gefangenschaft etc überstanden, so stand er doch stets auf der Seite der Guten. Traumata hat er zwar notwendigerweise zurückbehalten, aber sie treten fast gar nicht zutage und behindern ihn in keinster Weise in seinem Wirken. Kurz: ein Superheld. Alle anderen Charaktere, und es sind derer viele, müssen ja verblassen neben so einer Sonne unter Sternen. Und so ist es auch kein Wunder, dass Allon nicht nur alle Hintergründe aufdeckt und alle Guten rettet, sondern natürlich auch sämtliche verschwundenen Gemälde der letzten 30 Jahre wieder findet. Wen wundert´s.

Trotz aller genremäßigen Vorhersehbarkeit ist der Band durchaus gelungen, die Geschichte ist nicht unspannend, wenn man sich für Kunst interessiert, es gibt einige Wendungen in der Geschichte, und wie gesagt ist Allon auch ein sympathischer und zutiefst menschlicher Topagent. Die mitunter sehr detaillierten Beschreibungen der politischen und geschichtlichen Hintergründe und Lebensläufe jedes Einzelnen, mit dem Allon zusammentrifft, kann man lesen, sie sind aber nicht immer wichtig für das Verständnis. Mich störte daran, dass man ab und an das eigentlich Ziel aus den Augen verlor, nämlich die Suche nach dem verschwundenen Caravaggio, und dass das Ganze dann doch zu sehr in die Nahostpolitik abdriftete, als wäre der Raub nur ein Alibi gewesen, um darüber referieren zu können. Mit all den Terroristen, guten Israelis und guten und schlechten Syrern, politischen Konferenzen, Geheimdiensten etc. geriet der Ausgangspunkt zwischenzeitlich in Vergessenheit, und dass Allon das Bild dann doch noch findet, ist zwar der vollkommene Schluss, aber irgendwie nicht mehr wichtig.

Fazit: solide herunter geschriebener Spionagethriller aus der Kunstwelt, für Fans der Reihe ein Muss. Die Story lässt sich gut lesen und fesselt durchaus, auch wenn mir mitunter der rote Faden abhanden gekommen ist. Der Band bietet gute Unterhaltung, man kann der Story gut folgen, auch wenn man die Protagonisten aus vorherigen Bänden nicht kennt, und man verfolgt zumindest Allons Aktionen mit Spannung. Obwohl mir Allon als Charakter und Held sympathisch war, trug der Band für mich als Einsteiger in die Allon-Reihe nicht unbedingt dazu bei, die anderen Bände auch lesen zu wollen. Nichtsdestotrotz für alle Fans des Genres eine klare Leseempfehlung.