Irrwege

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Der Reisende, Roman von Ulrich Alexander Boschwitz, 304 Seiten, erschienen bei Klett-Cotta.
Eine Erzählung über den jüdischen Geschäftsmann Otto Silbermann, der zuerst sein Hab und Gut, dann seine Würde und am Ende seinen Verstand verliert.
Vorliegender Roman wurde schon 1938 verfasst, als die Verfolgung der Juden im Dritten Reich gerade begann. Der Autor zu diesem Zeitpunkt erst 23 Jahre alt schrieb diesen Roman in wenigen Wochen und nachdem er selber schon geflüchtet war. In den 60er Jahren gelangte das Manuskript nach Frankfurt ins Exilarchiv der deutschen Nationalbibliothek. Erst jetzt, 80 Jahre nach seiner Fertigstellung wurde diesem beeindruckenden Werk die Form gegeben, die ihm gebührt. (Aus editorische Notiz)
Das Buch gliedert sich in 11 überschaubare Kapitel, im auktorialen Erzählstil verfasst. Schon auf den ersten Seiten wurde ich von diesem Text derart gefesselt, dass ich dieses Buch nur in einem Zug lesen konnte. Schon auf den ersten Seiten beginnt es sehr spannend. Der Protagonist Silbermann, versucht an den Geschäftsmann Becker, ein Haus zu verkaufen. Die verzweifelten Versuche noch wenigstens die Immobilie, letztendlich zwar weit unter Wert, zu veräußern, werden vom Erscheinen eines SA-Schlägertrupps im Zuge der Reichsprogromnacht zunichte gemacht. Silbermann kann fliehen und muss seine Frau zurücklassen. Die beiden haben es versäumt rechtzeitig zu ihrem Sohn nach Frankreich zu flüchten. Sehr viele interessante Dialoge und auch Monologe machen die Geschichte äußerst lebendig. Besonders die Monologe die der Protagonist in Gedanken führt, zeigen auf, wie sich Silbermann innerhalb einer Woche verändert. Verraten von Freunden, Verwandten und Geschäftspartnern fühlt er sich nur noch in Zügen sicher und reist quer durch Deutschland. Von seinem Teilhaber erhält er noch eine größere Geldsumme, die er fortan in einer Aktenmappe mit sich trägt. Als er auch noch um seine letzte Hoffnung gebracht wird, erkennt Silbermann, dass er von nun ab, zum Staatsfeind Nr.1 geworden ist.
Dieses Buch hat mich erschüttert. Vor allem, dadurch, dass es von einem 23Jährigen auf so eine „reife Art“ geschrieben werden konnte. Obwohl es sich hier wirklich um ein ernstes Thema handelt, empfand ich den Schreibstil als fesselnd, unterhaltsam und leicht zu lesen. Am Ende des Buches sind noch wichtige Informationen des Herausgebers angeführt die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Leider finde ich, dass im Klappentext zu viel vom Plot verraten wird. Gerne hätte ich auch gewusst wie Silbermanns „Geschichte“ endet, mir fehlt sozusagen der Schluss der Geschichte.
Da es sich bei vorliegendem Werk um eine etwas anders erzählte Perspektive der Thematik handelt finde ich dieses Buch auch als Schullektüre geeignet. Auf jeden Fall gebe ich eine Leseempfehlung und verdiente 4 Sterne.