Sehr interessant

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
mauela Avatar

Von

Wo versteckt man sich am besten, wenn man von der ganzen Welt gesucht wird?

Otto Silbermann hat dafür eine einfache, aber effektive Lösung gefunden. Er versteckt sich in der Öffentlichkeit. Er reist im Zug von Stadt zu Stadt immer unter den Augen seiner Verfolger, manchmal mit unmittelbarem Kontakt zu diesen, immer in der Gefahr entdeckt zu werden, denn er ist Jude.

Mit dem Roman Der Reisende ist dem Autor Ulrich Alexander Boschwitz eine beklemmende und zugleich intensive und sehr interessante Geschichte gelungen. Der Leser begleitet Otto auf seiner ungewöhnlichen Reise, lernt dabei „Täter“ und „Opfer“ kennen, hört positive aber auch negative und zutiefst verstörende Geschichten der anderen Reisenden. Alles geprägt vom politischen Umfeld, in dem sich die Protagonisten bewegen.

Aber so gut das Versteckt in der Öffentlichkeit auch sein mag, die Angst entdeckt zu werden, läßt die ursprüngliche Person Silbermann immer mehr verschwinden. Und so verändert sich nicht nur sein Umfeld, sondern er sich ebenso. Er passt sich sozusagen an den Feind an, denn er, der nicht sofort als Jude erkannt wird, meidet seine Glaubensgenossen um nicht selber diskreditiert zu werden. Vor allem diese Erkenntnis läßt mich daran denken, wie einfach es ist in der Masse zu verschwinden, sich anzupassen, seine eigene Meinung der der Mehrheit anzugleichen um ja nur nicht negativ aufzufallen. Damals genauso wie heute. Und ich denke, dass genau dieser Gedanke diesen Roman so wertvoll macht. Zum einen hebt ermahnend den Finger, führt vor Augen zu welcher Bestie sich die Menschen entwickeln können und zum anderen mahnt er davor, die Augen offen zu halten um nicht auch heute in den Sog der Empathielosigkeit und Gelichgültigkeit gezogen zu werden.

Obwohl der Klappentext eigentlich die ganze Geschichte verrät und darum keine ungewöhnlichen oder unvorhersehbaren Wendungen zu erwarten sind, gibt es von mir eine Leseempfehlung für alle die sich für menschliche Schicksale, fiktiv oder real, interessieren und für alle die mit kritischen Augen die Welt betrachten.