Nette Idee schlecht umgesetzt

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Der renommierte deutsche Autor Andreas Gößling präsentiert in seinem neuen Werk „Der Ruf der Schlange“ eine Verschwörungs-/Kriminalgeschichte, die in einer umfassend entwickelten Fantasiewelt angesiedelt ist. 

Im Mittelpunkt steht der in der dunibischen Hauptstadt Phora wohnende königliche Ermittler Samu Rabov, dessen Aufgabe es im Jahr 713 neuer Zeit ist, verschiedene mysteriöse Morde entgegen innerer und äußerer Widerstände aufzuklären. Ein sympathischer Protagonist ist Samu Rabov dabei durchaus; konnte er mich doch insbesondere aufgrund seiner Selbstironie und seiner kritischen Denkweise des öfteren zum Schmunzeln bringen. Die Figur des Samu Rabov wurde von Gößling sehr gut ausgearbeitet und die Darstellung seiner Gedanken, Emotionen, Zweifel und schließlich seiner Beweggründe wirkt ausgereift. Überhaupt zeichnet der Autor durchweg lebendige, greifbare Charaktere mit Ecken und Kanten, so dass ich aufgrund der individuellen Gestaltung keine Schwierigkeiten hatte, mich zurecht zu finden. Auch die von Gößling erdachte und entworfene Fantasiewelt überzeugt durch ihre Komplexität und ihre Detailgenauigkeit. Konkrete Beschreibungen von Ländern und Städten, Landschaften und Handlungssorten lassen mich als Leserin unmittelbar in das Geschehen eintauchen. Darüber hinaus präsentiert der Autor eine konsequent durchdachte Gesellschaftsstruktur einschließlich Geschichte, Religion und politischen Strukturen. Eine äußerst solide und überzeugende Handwerksarbeit von Gößling!

Doch leider ist trotz all dieser positiven Aspekte bei mir über den ganzen Roman hinweg „der Funke nicht übergesprungen“. M.E. liegt dies daran, dass keine Spannung aufkommt bzw. sobald es „ermittlungstechnisch“ gesehen ein wenig spannend wird, erfolgt wieder eine (unumgängliche?) Unterbrechung mit langen und breiten Erklärungen der erdachten Welt. Dies ist zwar durchweg dem Fantasy-Gedanken zuträglich und größtenteils auch unumgänglich, schadet der „kriminellen“ Seite des Romans jedoch erheblich. Auch das recht überraschende Ende befriedigt nicht wirklich, stellt sich mir doch danach die Frage, ob eventuell noch ein weiterer Roman um Samu geplant ist. In diesem Fall hätte ich mir dann jedoch den Hinweis auf eine Reihe bzw. Trilogie gewünscht, um das vorliegende Werk dementsprechend anders einzuordnen.

Schließlich muss ich noch feststellen, dass die Hauptthematik Schlangen, die grundsätzlich mein Interesse geweckt hat und selbst in recht abstoßenden Szenen nicht meinen Widerwillen erregte, letzten Endes für meinen Geschmack dann doch in zu großer epischer Breite dargestellt wird, um über die gut 500 Seiten hinweg dauerhaft mein Interesse fesseln zu können. Irgendwann wurde mir es insbesondere aufgrund zahlloser, sich leider wiederholender Beschreibungen ohne bahnbrechende neue Erkenntnisse dann doch zu viel.

Im Vergleich zum Inhalt ist dagegen die Gestaltung des Romans durchaus überzeugend gelungen. Insbesondere die Land- und Stadtkarte am Anfang bzw. Ende des Buches sind sehr schön gezeichnet und dienen als gute Orientierungshilfe während der Lektüre. Ein Glossar habe ich direkt während des Lesens nicht vermisst, frage mich aber im Nachhinein, ob ein solches die Konzentration auf das Wesentliche des Buches nicht erleichtert hätte und man so viele Informationen, die m.E. den Lesefluss und somit stringent das Spannungselement behinderten, kompakt in einem „ausgelagerten“ Glossar hätte vermitteln können.

Fazit: Letztendlich muss ich leider sagen, dass ich das Buch nicht mit viel Freude gelesen oder gar beendet habe. Für meinen Geschmack versucht der Autor zu viel an Informationen in dieser Geschichte unterzubringen. Dem Leser muss sowohl eine komplette Fantasiewelt erläutert als auch gleichzeitig der Spannungsbogen im Hinblick auf die Mordermittlungen aufrecht erhalten werden. Dies gelingt in dem vorliegenden Buch meiner Meinung nach nicht hinlänglich genug, da zum Verständnis der kriminaltechnischen Ermittlungen zu viel Hintergrundwissen vermittelt werden muss, wodurch mein Lesefluss erheblich beeinträchtigt wurde und so mein Lesevergnügen deutlich gemindert worden ist. Um der Geschichte und der konstruierten Welt gleichermaßen gerecht zu werden, hätte es meinem Geschmack nach mehr als einen Roman gebraucht. Daher gibt es von mir nur drei Sterne, die ich guten Gewissens jedoch mehr der Ideen als der Umsetzung willen vergebe.