Pratermord

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Der Schatten, Thriller von Melanie Raabe, 412 Seiten, erschienen im btb-Verlag.
Am 11. Februar wirst du am Prater einen Mann namens Arthur Grimm töten. Aus freien Stücken. Und mit gutem Grund.
Die Journalistin Norah Richter hat sich von ihrem Freund Alex getrennt sie bricht ihre Zelte in Berlin ab, ergreift ein Jobangebot und zieht nach Wien. Dort ist Norah anfangs ziemlich einsam, nur mit ein paar Freunden und ihren Kollegen hat sie Kontakt. Auch in ihrer noch nicht eingeräumten Wohnung fühlt sie sich nicht wohl, dann beginnt das Unheimliche, Sachen verschwinden, andere Dinge tauchen plötzlich auf, ihre Nachbarin sieht ihrer verstorbenen Freundin ähnlich, unmögliche Zufälle verängstigen sie, ihre Freunde wenden sich scheinbar grundlos von ihr ab. Und eines Tages diese unheimliche Begegnung in der Fußgängerzone. Eine Obdachlose weissagt ihr, dass sie am 11. Februar einen Mann töten wird.
Das Buch beinhaltet 66 kurze Kapitel, die oft mit einem Cliffhanger oder einer besonders spannenden Situation enden, der Leser muss also unbedingt weiterlesen. Zwischen den Kapiteln sind in anderer Schrift deutlich gemacht, die Gedanken und Erinnerungen einer anderen Person eingefügt. Briefe und besondere Textstellen sind kursiv abgedruckt. Noch vor dem Prolog steht der Songtext „Bachlorette“ von Björk und das Gedicht „In the desert“ von Stephen Crane. Die Geschichte ist im auktorialen Erzählstil verfasst. Die Autorin überzeugt mit ihrem bildhaften Schreibstil, z.B. auf S. 10 „Dort! Die Gestirne mit dem feinsten Pinsel auf das Himmelszelt gesetzt“. Oder auf S. 319: „Zu ihrer Rechten befand sich ein Kettenkarussell, und wie es so verlassen dalag, wirkte es wie eine bunt behängte Trauerweide“. Das Setting ist sehr eindrucksvoll beschrieben und zieht den Leser hinein in die Geschichte. Die Autorin hat m. M. nach Wien als Handlungsort sehr gut gewählt, denn die Stimmung des Buches passt hervorragend zur morbiden Stimmung der österreichischen Hauptstadt, dadurch wird eine tolle Atmosphäre geschaffen.
Dieses Buch hat mir außerordentlich gut gefallen, ich bin nur so durch die Seiten geflogen, konnte es kaum aus der Hand legen, die Spannung die zu Beginn aufgebaut wird hat sich bis zum letzten Punkt am Ende gehalten. Viele Wendungen und die finale überraschende Lösung haben mich verblüfft. Ich konnte der Handlung zu jeder Zeit folgen. Die Personen handelten nachvollziehbar. Die Protagonistin Norah ist eine taffe Frau, gut in ihrem Job, selbständig und sympathisch. Die Autorin hat es dennoch geschafft, mich stellenweise zweifeln zu lassen, ob sich die Vorkommnisse nicht nur in der Fantasie der Protagonistin abspielen. Ich würde vorliegendes Werk unbedingt als „Psychothriller“ bezeichnen. An einigen Stellen ist es mir wirklich eiskalt den Rücken hinuntergelaufen. Da ging Kopfkino ab. Ständig hatte ich ein unheimliches Gefühl. Besonders bemerkenswert fand ich folgende Stelle: Das Gesicht…sah grimmig und düster aus, wie die Fotos auf den Fahndungsplakaten der RAF-Leute, die in ihrer Kindheit noch in den Poststellen gehangen und ihr eine Heidenangst eingejagt hatten. Genau diesen Satz habe ich, schon vor der Lektüre dieses Thrillers, oft selbst gebraucht. Genau das Gefühl kenne ich aus eigener Erfahrung. Da war ich verblüfft. Ständig habe ich mir Gedanken gemacht, Konstrukte gesponnen, wer ist die mysteriöse Person die Norah stalkt? Wer steckt dahinter? Und auch – tut sie es wirklich?
Etwas hat mich nachdenken lassen, zum Anfang wird dem Leser nicht ganz klar wie viel Zeit bis zum 11. Februar bleibt, man nimmt wahr, dass es sich in der kalten Jahreszeit abspielt, bis zu einem Punkt an dem es bis zum 11. Februar nur noch einige Tage sind, ich vermute, dass dies ein weiteres Stilmittel der Autorin ist. Auch ist Norah Richter in vorliegendem Thriller die fast einzig agierende Person, sämtliche Freunde, Kollegen Nachbarn usw. sind nur „Statisten“, das hat mich sehr beeindruckt.
Alles in allem kann ich für diesen Thriller nur mein uneingeschränktes Lob aussprechen. Ich habe ihn genossen, wurde gut unterhalten, Gruselfaktor ist auch vorhanden. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung. Und hervorragende 5 Sterne – die volle Punktzahl.