Beeindruckend feinfühlig – Schlaflosigkeit als Spiegel der Seele

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Die Leseprobe zu Der Schlaf der Anderen von Tamar Noort ist intensiv, leise und gleichzeitig voller Wucht. Im Zentrum steht Janis, Nachtwache in einem Schlaflabor – selbst erschöpft vom Schichtdienst, emotional zurückgezogen, aber mit einem wachen Blick für andere.

Noorts Sprache ist eindrucksvoll. Mit poetischer Präzision beschreibt sie innere Zustände wie Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Überforderung und das fragile Verhältnis zu Körper und Geist. Schon auf den ersten Seiten beeindruckt die klare, ruhige Erzählweise, die dennoch tief unter die Oberfläche geht. Besonders die erste Begegnung zwischen Janis und ihrer Patientin Sina Jott ist berührend – zwei Frauen, die auf ihre Weise kämpfen, ohne dass sie es laut aussprechen.

Die Dialoge sind sparsam, aber wirkungsvoll. Vieles geschieht zwischen den Zeilen: Blicke, Gesten, kleine Handgriffe – alles hat Bedeutung. Auch der Perspektivwechsel zu Sina öffnet neue Ebenen. Ihre Gedanken sind zerrissen, ehrlich, manchmal schonungslos, aber nie inszeniert.

Einziger kleiner Kritikpunkt: Die Melancholie ist allgegenwärtig. Wer einen klaren Handlungsbogen oder schnelle Entwicklungen sucht, könnte es als zu ruhig empfinden. Aber gerade diese stille Intensität macht den Reiz aus.